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Jans Blog: Alle Kraft aufs Doppel!

Das Doppel Franziska/Groth blieb bei der WM hinter den Erwartungen zurück (©Fabig)

03.07.2017 - Das Doppel wird im Tischtennis bekanntermaßen eher stiefmütterlich behandelt - und das sowohl im Amateur- als auch im Profibereich. Die Disziplin, der noch weniger Aufmerksamkeit zuteil wird, ist lediglich noch das Mixed-Doppel, das im Spieleralltag so gut wie nie vorkommt. Unser freier Redakteur Jan Lüke sieht im Doppel und Mixed allerdings künftig großen Handlungsbedarf, da die Bedeutung dieser Disziplinen immer mehr zunimmt.

Die Tischtennis-WM von Düsseldorf war noch jung. Es war gerade einmal Donnerstag und das große Finalwochenende vor ausverkauften Rängen stand erst noch bevor. Und doch musste Bundestrainer Jörg Roßkopf bereits mit ansehen, wie sich zwei seiner größten Medaillenhoffnungen Seite an Seite aus dem Turnier verabschiedeten. Das ist im Doppel durchaus üblich – im Falle von Timo Boll und Patrick Franziska war es das allerdings nicht. Denn die beiden besten deutschen Doppelspieler schieden nicht gemeinsam aus, sondern nebeneinander an benachbarten Tischen. Boll verlor gemeinsam mit Ma Long (2:4 gegen die späteren Weltmeister Xu Xin/Fan Zhendong), Franziska gemeinsam mit Jonathan Groth (3:4 gegen Pawel Platonov/Vladimir Samsonov).

Der DTTB hat sich mit der Benennung seiner Doppel für Düsseldorf verpokert. Der Verband war ein hohes, aber kalkuliertes Risiko gegangen – nur war das nicht aufgegangen. Dabei war die Entscheidung der Deutschen, Boll im Legendary Pair und Franziska im immerhin amtierenden Europameister-Doppel in die Box zu schicken auch abgesehen von der öffentlichkeitswirksamen Inszenierung nachvollziehbar gewesen. Boll/Ma waren auch in Düsseldorf eine der besten Paarungen im Turnier. Sie wären wohl ein sicherer Medaillengarant gewesen, wenn sie nicht in dasselbe Viertel des Turnierbaums wie das einzige rein chinesische Doppel gelost worden wären. Diesem Risiko hatte sich der Verband bei der ungesetzten Paarung wie schon 2015 aussetzen müssen. Auch dass sich der DTTB dazu entschieden hatte, die gut harmonierenden Franziska/Groth nicht auseinander zu reißen, war verständlich. Das deutsch-dänische Duo war zumindest zum erweiterten Kreis der Medaillenanwärter zu zählen. Sie aber spielten in Düsseldorf schlichtweg schlechter, als man es von ihnen hätte erwarten dürfen. Dass der DTTB im Herren-Doppel, seinem in Summe vielleicht hoffnungsvollsten Wettbewerb, weit hinter den Erwartungen zurückblieb, war deshalb nicht zuletzt auch: unglücklich.

Trotzdem wird sich das deutsche Tischtennis genau überlegen müssen, wie es mit seinen Doppeln künftig umgehen wird. Das gilt nicht nur für die Männer – sondern auch für die Frauen und vor allem das Mixed. Denn das Doppel wird für das deutsche Tischtennis künftig von großer Bedeutung sein. Das hat verschiedene Gründe:

  1. Nicht nur bei der WM in Düsseldorf, sondern auch in Zukunft werden die Konkurrenzen in den verschiedenen Doppeldisziplinen die bleiben, in denen Spitzenplatzierungen für die deutschen Athleten am ehesten zu erreichen sind. China wird zwar auch weiterhin darum bemüht sein, sich die wichtigen Titel auch dort zu sichern. Doch in der Tendenz verwendet China nicht mehr alle Anstrengungen darauf, mit lückenlosen Medaillensätzen die Heimreise anzutreten. Für die anderen Nationen bietet das Möglichkeiten, die in Zukunft wohl die Nationen nutzen werden, die in die Doppeldisziplinen Arbeit investieren. Wie das aussehen kann, darauf gab Japan in Düsseldorf einen Vorgeschmack, das auf eingespielte, sinnvoll zusammengestellte Paarungen und mitunter reine Doppelspezialisten setzte - und in Düsseldorf mit dem WM-Titel im Mixed belohnt wurde.
     
  2. Olympia – die Erste. Die Entscheidung des IOC, mit dem Mixed-Doppel erstmals einen fünften Tischtennis-Wettbewerb in den Olympia-Kanon aufzunehmen, macht das gemischte Doppel so interessant, wie es im Tischtennis wohl nie gewesen ist. Das Mixed war bisher eine tote Disziplin. Seit Jahrzehnten spielen die besten Spielerinnen und Spieler der Welt kein Mixed. Das wird sich mit Blick auf 2020 ändern. Bei Europameisterschaften und Deutschen Meisterschaften steht kein gemischtes Doppel im Programm, auf nationaler Ebene nicht einmal mehr in den Nachwuchsklassen. Auch diese Entscheidungen werden wieder rückgängig gemacht, das ist nur eine Frage der Zeit. Wer sich früh damit beschäftigt, Mixedpaarungen in Training wie Wettkampf einzuspielen und auszubilden, wird sich einen neuen Markt erschließen können. Einen, in dem sogar eine Olympiamedaille winkt, die auch ein Duo Solja/Ovtcharov - mal rein hypothetisch kombiniert - gerne um den Hals baumeln haben würde.
     
  3. Olympia – die Zweite. Wer sich im Mannschaftswettbewerb der Olympischen Spiele in Medaillennähe spielen möchte, und darum wird es den deutschen Teams auch 2020 in Tokio und 2024 gehen, der braucht mindestens eine starke Doppelpaarung. Im Peking-Spielsystem, in dem die Mannschaftswettbewerbe organisiert sind, hat das Doppel eine so große Bedeutung wie in keinem anderen Spielsystem. In Rio de Janeiro waren die DTTB-Herren nicht wegen, sondern trotz ihres Doppels Boll/Bastian Steger erfolgreich. Dem hatte man fehlende Spielpraxis deutlich angemerkt. Wenn Deutschland in Timo Boll perspektivisch seinen zweiten Topspieler verlieren wird, wird es ein eingespieltes Spitzendoppel umso besser gebrauchen können.

Dass Trainer und Athleten das Doppel bislang eher stiefmütterlich behandelt haben, war angesichts eines ohnehin überfüllten Turnierkalenders nachvollziehbar. Dass sich das gerade auch beim DTTB ändern sollte, ist es allerdings auch. Dem Doppel gehört die Zukunft. Zumindest ein Teil von ihr.

(Jan Lüke)

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