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Dietmars Blog: Borussias Dominanz verdient, aber gefährlich

Verdient Meister: Borussia Düsseldorf feiert ihren 29. Meistertitel (©Fabig)

20.06.2017 - Kurz nach der Weltmeisterschaft hatte Düsseldorf schon wieder Grund für ein Tischtennis-Fest. Der 29. Meistertitel für die Borussia zementierte die Kräfteverhältnisse in Deutschland nur noch mehr, war aber für Timo Boll und Co. unbestritten auch der verdiente Lohn harter Arbeit. Unser Blogger Dietmar Kramer würdigt die Leistung des Branchenführers, macht sich jedoch mit etwas zeitlichem Abstand auch so seine Gedanken über die Düsseldorfer Dominanz.

Werder Bremen. Klingelt da etwas? Richtig, da war doch mal etwas: Die Norddeutschen waren 2013 der letzte deutsche Meister vor der neuen Erfolgsserie von Rekordchampion Borussia Düsseldorf. Noch aussagekräftiger ist aber, dass Bremen 2013 auch der einzige Titelgewinner außer den Rheinländern in den vergangenen zehn Spieljahren gewesen ist. 

Borussias Dominanz birgt Gefahren

Meinte man es nicht gut, müsste man vor diesem Hintergrund die Klagen in der Fußball-Bundesliga nach zuletzt fünf Titeltriumphen von Bayern München in Serie über die Gefahren der Überlegenheit von Manuel Neuer und Co. fast schon als Kinderkram abtun. Denn im Tischtennis ist Düsseldorf eindeutig noch dominanter als die Bayern im Fußball – und das nicht nur statistisch. 

Tatsächlich ist aber auch bezüglich von Borussias abermaliger Erfolgsbilanz in der jüngsten Dekade – nicht zufällig seit Timo Bolls Wechsel an den Rhein – eine Debatte über eine drohende oder – wie Kritiker sagen mögen – längst eingetretene Langeweile angebracht. Aber wiederum wie bei den Bayern im Fußball gehört vorneweg klargestellt, dass man die klar sortierten Verhältnisse im Tischtennis nicht den Düsseldorfern vorwerfen kann.

Mehr als „Borussia Boll“

Denn die Borussen arbeiten, auch an anderen Sportarten gemessen, höchst professionell. Die zahlreichen Titel und Triumphe sind alles andere als Zufallsprodukte, sondern der verdiente Lohn für harte und, vielleicht noch wichtiger, beharrliche und vor allem auch durchdachte Arbeit. Düsseldorf ist, anders als von Außenstehenden oft fälschlicherweise gemutmaßt, eben nicht „Borussia Boll“. Zweifellos ist der Rekordeuropameister die Galionsfigur und in entscheidenden Matches auch immer eine Bank für seinen Klub, aber Düsseldorf bietet in der Regel seit langer Zeit schon - in der abgelaufenen Saison nur einmal mehr – immer ein starkes Team im wahrsten Sinne des Wortes auf und nicht nur eine Ansammlung von drei, vielleicht vier Akteuren von internationaler Klasse.

Da Erfolg natürlich auch sexy macht, weckt Düsseldorf zwangsläufig Interesse von Sponsoren und anderweitigen Partnern. Ein Geheimnis des Borussia-Erfolges scheint in diesem Zusammenhang die Verwendung dieser Mittel über die sicher nicht schlechte Bezahlung der Spieler hinaus zu sein. Der Aufbau von tragfähigen und effizienten Strukturen, die Borussia sich im Laufe vieler Jahre geschaffen hat und auf die sich Verein und Mannschaft bei ihren sportlichen Anstrengungen stützen können,  kostet neben Kraft, Nerven und Durchhaltevermögen nämlich immer auch eines – Geld.

Es ist also mithin Düsseldorf kein Vorwurf für seine Stärke und auch nicht seine Anziehungskraft auf Generationen von talentierten Spielern zu machen. Nur ganz wenige Ausnahmen wussten nicht die Vorteile eines Engagements beim deutschen Branchenprimus zur Verbesserung auch des persönlichen Niveaus zu nutzen, noch weniger wussten diese große Chance überhaupt angemessen wertzuschätzen. Bezeichnend jedenfalls, dass beim russischen Champions-League-Sieger Fakel Gazprom Orenburg die Stammspieler Dimitrij Ovtcharov, Jun Mizutani und Vladimir Samsonow in den prägenden und wegweisenden Jahren als Jungprofis allesamt einst das Borussen-Trikot trugen.

Düsseldorfs Rivalen müssen nachziehen

Der Schlüssel für einen deutlich interessanteren Titelkampf in der Bundesliga liegt bei Düsseldorfs Konkurrenten. Natürlich gebührt Mannschaften wie beispielsweise dem „ewigen Vize“ TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell oder dem 1. FC Saarbrücken-TT und den TTF Liebherr Ochsenhausen Respekt und Anerkennung für ihre bisherigen Anstrengungen, Düsseldorf herauszufordern. Doch letztlich dürfte allen doch mehr fehlen als der „Boll-Faktor“, sprich ein Spieler von Weltklasseformat mit entsprechenden Gehaltsvorstellungen. Denn Geld alleine schießt nicht nur keine Tore, sondern zaubert auch nicht einfach einen Teamgeist und einen funktionierenden Vereinsapparat herbei. Alle potenziellen Rivalen der Borussia sollten zügig an ihren Konzepten arbeiten. Denn die Zeit drängt, soll die Bundesliga auch noch mittelfristig eine attraktive Adresse sowohl für Spieler internationaler Klasse als auch Sponsoren bleiben.

Bundesliga-Konkurrenz aus Japan und Indien

Am Horizont nämlich ziehen bereits Vorboten einer neuen Tischtennis-Weltordnung auf: Nicht nur die T2 Asian Pacific Table Tennis League könnte dabei im Falle eines Erfolgs für ihr spektakuläres Experiment der deutschen Eliteklasse Konkurrenz machen. Auch in Japan und Indien bilden sich derzeit Ligen mit ebenfalls hochprofessionellen Ansprüchen. Will die Bundesliga mithalten, müssen vielerorts Strukturen und finanzielle Möglichkeiten verbessert werden – ansonsten droht Bundesliga-Tischtennis zur B-Ware zu verkommen. Noch kann Düsseldorf das beinahe im Alleingang verhindern. Der wohlklingende Name des Klubs gepaart mit Timo Bolls hohem Ansehen in der Öffentlichkeit werfen momentan genug Glanz auf die gesamte Liga, besonders in Vermarktungsfragen ist Borussia Düsseldorf ein Glücksfall für das Oberhaus. 

Deshalb gehört Borussia Düsseldorf an dieser Stelle zunächst einfach nur aufrichtig zur Meisterschaft gratuliert: Hut ab!

(Dietmar Kramer)

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