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Neues vom Phasendrescher: Die typische Karriereleiter!

Philipp Hell schaut sich die verschiedenen Stufen auf der Karriereleiter an (©Laven)

21.03.2022 - Unser „Phasendrescher“ Philipp Hell hat uns in der Vergangenheit bereits auf seine gewohnt witzige Art erzählt, wie die typischen Phasen eines Amateurspiels, einer Saison oder eines Turniers aussehen. Nun widmet er sich den verschiedenen Stufen einer Funktionärskarriere - angefangen mit der des Mannschaftsführers, der sich Jahr für Jahr breitschlagen lässt, das Amt doch noch mal für eine Saison zu übernehmen.

Das Amt des Mannschaftsführers ist so etwas wie die Einstiegsdroge in eine Karriere als Tischtennis-Funktionär. Oder – je nach dem, wie man es sehen mag – der kleine ausgestreckte Finger, anstatt dessen gerne mal die ganze Hand gegriffen wird. In jedem Falle beginnt die Karriere als Mannschaftsführer üblicherweise bereits in der Jugend. Denn auch jede Jugendmannschaft benötigt einen Mannschaftsführer, der zumeist vom Trainer bestimmt werden muss, da sich freiwillig niemand findet. Der Trainer wählt dabei immer denjenigen Spieler aus, dem er aus seiner Chaoten-Truppe noch am ehesten zutraut, drei geordnete Gedanken fassen sowie drei gerade Sätze vortragen zu können – Stichwort: Begrüßungsrede.

Einmal Mannschaftsführer, immer Mannschaftsführer

Fakt ist nämlich, dass es dem ein oder anderen Jugendspieler auch nach mehreren Punktspiel-Saisons immer noch schleierhaft ist, wo er in dem aus lauter wirren Zahlen und Buchstaben bestehenden Spielberichtsbogen seine letzte peinliche 3:11-Pleite gegen diesen Neunjährigen eintragen muss. Zum Glück gibt es den vergleichsweise Hochbegabten im Team, der diesen Eintrag mit Leichtigkeit übernimmt, die meisten Spieltermine im Kopf hat (oder zumindest weiß, wo diese im Internet nachzusehen sind) und sich zu allem Überfluss auch noch die Namen all seiner Mitspieler gemerkt hat. Kein Wunder also, dass genau diesem Jugendlichen dann das Amt des Mannschaftsführers aufgetragen wird. Welches er dann beinahe für den Rest seiner Tischtennis-Karriere weiterhin ausfüllen darf bzw. muss, da helfen alle Umzüge und Vereinswechsel nichts. Denn auch in neuen Vereinen finden die Unwilligen es rasend schnell heraus, wer prinzipiell für den Posten des Mannschaftsführers geeignet ist, wer nicht allzu viel Widerstand leisten würde oder wer eventuell gar schon Erfahrungen vorzuweisen hat. Und schon hängt man wieder drin, in der Verantwortung.

Denn auch für Erwachsenen-Mannschaften ist die Suche nach einem Mannschaftsführer sonst oft eine zähe Veranstaltung mit faulen Ausreden (kein Handy, keine Zeit, keinen Bock), leeren Drohungen („Dann hör ich auf!“), schleichender Verzweiflung („Ohne Mannschaftsführer können wir dieses Jahr nicht antreten…“) sowie dem immer gleichen Ergebnis: „Na schön, dann mach ich es eben noch ein Jahr. Aber wirklich nur noch dieses eine Mal!“ Ein Wunder, dass man nach zwei Jahrzehnten Kreisliga-Tischtennis immer noch an diese Selbsttäuschung glaubt.

Zwischen Ausreden und Planlosigkeit

Das Amt selbst ist in seiner Übersichtlichkeit einerseits keine große intellektuelle Herausforderung: Eigentlich gilt es ja nur, zu jedem Spiel eine vollzählige Mannschaft zusammenzutrommeln und ab und an ein Spiel zu verlegen. Eigentlich – doch genau hier beginnt das andererseits, welches einen jeden Mannschaftsführer des Öfteren an den Rand des Wahnsinns treiben kann. Wenn es nämlich wieder einmal unmöglich erscheint, zum nächsten Spiel eine halbwegs schlagkräftige oder zumindest vollzählige Truppe an den Start zu schicken. Da gilt es dünne Ausreden zu akzeptieren (Geburtstag der Großtante, Abifeier des Sohnes, Kurzurlaub auf Malle, dritte Beerdigung der gleichen Oma, Geburt eines Neffen), zweifelhafte äußere Umstände hinzunehmen („Die Dritte kann keinesfalls einen Ersatzspieler stellen, für die geht es noch um den Aufstieg!“) und sowieso mit allgemeiner Unorganisiertheit („Wie, nächsten Freitag!?“), Planlosigkeit („Für das nächste Spiel kann ich dir echt noch nicht zu- oder absagen.“) und Lustlosigkeit („Puh, schon wieder?“) der Mitspieler zurechtzukommen.

Dabei ist der Mannschaftsführer von heute ohnehin verwöhnt. Seit der Erfindung des Computers und später auch des Internets kann er auf zahllose hilfreiche Werkzeuge zurückgreifen wie Excel-Tabellen, Email-Verteiler, Doodle-Listen oder WhatsApp-Gruppen. Vorbei sind somit zumindest die grauen Urzeiten, in denen man verzweifelt versuchen musste, Mitspieler auf dem heimischen Festnetz oder im Büro zu erreichen. Zeiten, in denen man oftmals mit ungehaltenen Ehefrauen und noch ungehalteneren Vorgesetzten telefonieren musste und man den Fernfahrer im Team („Der fährt gerade seine Osteuropa-Tour.“) frühestens eine Stunde vor Spielbeginn erreichen konnte. 

Alle unter einem Hut?

Doch Email und Doodle hin oder her, der Teufel steckt wie immer im Detail: Zum Beispiel bei dem einen Trottel ihm Team, der WhatsApp aus Datenschutzgründen und aus Prinzip boykottiert, aber auch auf SMS allenfalls unregelmäßig antwortet. Oder bei dem Senior, der sich zwar tatsächlich ein Email-Postfach eingerichtet hat, dieses jedoch nur einmal im Quartal aufruft. Oder bei Malte, der seit bald zehn Jahren mit falscher Adresse im Email-Verteiler steht.

Wenn dann noch der Super-GAU Spielverlegung droht und der Mannschaftsführer versuchen muss, sich gleichzeitig auf einen neuen Termin mit dem gegnerischen Mannschaftsführer und den eigenen Leuten zu einigen, steht man oftmals auf verlorenem Posten. Wieder einmal gilt es zahlreiche unmöglich unter einen Hut zu bekommende Interessen zusammenzuführen: Der Gegner kann nur mittwochs oder freitags, aber nicht am 11., denn da ist Vereinsmeisterschaft, am 18. auch nur ungerne und eine Woche später müsste man eine halbe Stunde früher beginnen, weil der Hausmeister da früher Schluss machen möchte. Und im eigenen Team wiederum sei zur Illustration des Problems einfach kurz der letzte Chat-Verlauf der WhatsApp-Gruppe veröffentlicht.

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Jungs, der Gegner von kommendem Freitag hat mich kontaktiert, sie müssen verlegen, weil es einen angeblichen Wasserschaden in der Halle gibt. Sie schlagen den 4., den 6., den 11., nicht den 13., den 18., den 20. oder den 25. vor. Wie sieht‘s da bei euch aus?

ANDY: „Bei mir passt’s wahrscheinlich überall. Ich schau abends mal in den Familien-Terminkalender.“

BERND: „Freitag hätten wir ein Spiel?“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Ja, aber wird ja jetzt verlegt.“

BERND: „Glück für mich.“

CHRIS: „Ich kann definitiv nicht am 25.“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Und an den anderen Terminen?“

CHRIS: „Kann ich noch nicht sagen.“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Wie sieht’s bei dir aus, Bernd?“

BERND: „Womit?“

BERND: „Ach so, die Termine. Ja, also der 4. ginge.“

DIETER: „Ich hab dir eine Email geschickt.“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Warum?“

DIETER: „Am 4. kann ich nicht.“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Wann kannst du denn?“

CHRIS: „Hat jemand schon den Ernst kontaktiert? Der ist doch immer noch nicht in dieser Gruppe, oder?“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Wollte ich machen, wenn ich von euch allen ein Feedback habe. Also?“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Hallo?“

ANDY: „Ich hab zur Hilfe mal ein Doodle erstellt.“

CHRIS: „Ich komm nicht auf den Link!“

BERND: „Ich schon, aber da stimmen sie ab, wann das Feuerwehrfest stattfinden soll.“

ANDY: „Sorry, hier der neue Link.“

DIETER: „Was ist ein Doodle?“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Klick doch bitte einfach auf den Link und trag dich ein. Danke.“

BERND: „Die Termine stimmen doch gar nicht, da fehlt z.B. der 11.“

MANNSCHAFTSFÜHRER: „Am 11. können die Gegner nicht.“

DIETER: „Schade, ich schon.“

ANDY: „Warum wollen die überhaupt verlegen? Ich bin dagegen.“

BERND: „Müssen wir überhaupt antreten? Geht doch eh um nix mehr für uns.“

FRITZ: „Ey Leute, ich bin zwar seit drei Jahren nicht mehr in eurer Mannschaft, aber das hier ist der beste Chat Deutschlands!“
 

Übrigens: "Phasendrescher" Philipp Hell ist inzwischen auch unter die Buchautoren gegangen. Wer mit einem Augenzwinkern durch die Kreisliga schlendern will, findet hier das passende Werk.

(Philipp Hell)

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