Trainingstipp

Trainingstipp: Alles rund um das Thema Rotation

Heute erhalten Sie einen Einblick in die Rotationskunde (©Fabig)

24.05.2016 - Die Rotation ist im Tischtennis ein entscheidender Faktor, der von seiner Bedeutung her jene von vielen anderen Sportarten unterscheidet. Für den Außenstehenden ist die Rotation nur schwer bis gar nicht zu sehen und auch viele Tischtennisspieler wissen nur sehr vage, was hier wirklich passiert. Oft hört man Dinge wie Rotationsumkehr, Schnitt mitgeben etc. Trainingsexperte Martin Adomeit versucht im Folgenden, einige Grundlagen zu vermitteln.

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Wissen über die Rotation kann das Spielen gegen sogenanntes Material wie Noppen-Außen-Beläge oder Antitopbeläge erheblich erleichtern und verständlich machen. Zudem hilft das Wissen über Rotation natürlich auch sie zu erzeugen, gezielt einzusetzen und auszunutzen. Auch wenn es mit dem immer mehr eingesetzten Plastikball schwerer ist, die gleiche Rotationsstärke zu erzeugen, nimmt die Bedeutung von Rotation nach Ansicht von Martin Adomeit kaum oder gar nicht ab. Wer es schafft, mit dem Plastikball viel Rotation zu erzeugen, ist klar im Vorteil, denn er kann jetzt die Rotationswechsel auch effektiv einsetzen und hat klare Vorteile im Bereich dieses taktischen Mittels.

Was passiert aber durch die Rotation mit dem Ball? Diese Vorgänge sollte man sich in unterschiedlichen Situationen anschauen, denn sie haben unmittelbare Folgen auf den Einsatz unterschiedlicher Tischtennistechniken.

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Wirkung der Rotation auf den Ballflug
Auf den Ball wirken in seinem Flug zwei Kräfte. Das eine ist die Erdanziehung, das andere der Luftwiderstand. Also fallen alle Bälle – glücklicherweise ;) – irgendwann wieder herunter, am liebsten auf den Tisch. Wann dies geschieht, hängt natürlich stark von der Anfangsgeschwindigkeit des Balles ab und vom Winkel, in dem er den Schläger verlässt. Eine starke Wirkung auf die Fluglänge des Balles hat aber auch die Rotation durch den sogenannten Magnuseffekt. Über Vorwärtsrotation entstehen Luftwirbel über dem Ball und gleichzeitig ein Sog unter dem Ball. Dies führt dazu, dass der Ball deutlich früher auf den Tisch oder den Boden fällt als ein Ball ohne Rotation. Er fliegt dadurch auch in einem flacheren Winkel auf den Tisch. Bei einem Unterschnittball ist der entgegengesetzte Effekt zu beobachten. Die Luftwirbelungen sorgen für ein Luftpolster unter dem Ball, er bleibt lange oben, bis er fast wie ein Stein ­– denn er hat kaum noch Vorwärtsgeschwindigkeit – herunterfällt. Der Winkel, in dem der Ball auf den Tisch fällt, ist steil. Diesen Effekt kann man in der Halle leicht ausprobieren. Wenn die Spieler einen Ball möglichst weit bis zum ersten Aufsprung durch die Halle schlagen sollen, geht dies mit Unterschnitt deutlich besser.

In der Praxis machen wir uns dies beim Topspin zunutze. Mit diesem Schlag können wir auch bei Bällen unterhalb der Netzhöhe sehr viel Tempo erzeugen, weil sie durch den Magnuseffekt nach der Netzüberquerung auf den Tisch gezogen werden. Ein Ball ohne Rotation oder mit Unterschnitt würde – im gleichen Tempo und dem gleichen Winkel geschlagen – über den Tisch fliegen. Das heißt: Um auf flache Bälle schnell zu antworten, brauchen wir den Topspin.

Die Rotation des Balles nimmt während des Ballfluges im übrigen kaum bis gar nicht ab. Nicht nur Tischtennisspieler, auch Fußballtorhüter beklagen sogenannte Flatterbälle. Diese entstehen nur bei annähernd rotationslosen Bällen. Hier wird kein Luftstrom um den Ball gebildet und damit wird die Flugbahn des Balles instabiler. Je langsamer der Ballflug ist, desto eher wird der Flattereffekt durch normale Verwirbelungen in der Luft deutlich. In der Praxis finden wir dies besonders bei Bällen von langen Noppen. Hier wird keine oder kaum eigene Rotation erzeugt, zudem sind die Bälle langsam.            

Aufsprung des Balles auf dem Tisch
Bei einem Ball ohne Rotation ist beim Absprung auf dem Tisch der Einfallswinkel gleich dem Absprungwinkel. Lediglich das Tempo des Balles wird durch den Aufsprung des Balles auf dem Tisch reduziert. Kommt nun Rotation ins Spiel, ändert sich dies. Bei Vorwärtsrotation wird der Absprungwinkel flacher, das heißt er springt dem Gegner mehr entgegen. Damit wirkt er für den Gegner auch gleichzeitig schneller. Der Ball mit Unterschnitt springt dagegen steiler ab und wirkt so gebremst bzw. so, als würde er auf dem Tisch stehen bleiben. Diese Eigenschaft der Bälle macht, wenn sie unterschiedlich kommen, das Timing (also den Balltreffpunkt zum gleichen Zeitpunkt der Bewegung) ungleich schwerer. Der Topspin setzt den Gegner also unter deutlich mehr Zeitdruck. Je langsamer das Flugtempo des Balles ist, desto stärker spielen die Rotationseffekte für die Flugkurven eine Rolle.

Verhalten des Balles auf dem Schläger
Was passiert nun auf dem Schläger? Angenommen, der Schläger wird einfach nur hingehalten – dies ist ein Aspekt, den man der Einfachheit halber einmal betrachten sollte, um die Auswirkungen von Rotation zu begreifen –, springt der Ball bei Unterschnitt nach unten ab, bei Überschnitt nach oben. Dies kennen alle Tischtennisspieler auch aus der Praxis. Um es nun wirklich auch anzuwenden, müssen wir zunächst das Problem des Timings lösen, was über kürzere Bewegungen sicherlich leichter zu lösen ist. Die Wirkung des Schnitts auf dem Schläger kann der Spieler über die Schnelligkeit seiner Bewegung, besonders aber über die Neigung seines Schlägerblattes lösen. Das heißt, bei einem Unterschnittball muss ich den Schläger mehr öffnen, um den Effekt des Nach-unten-Ziehens auszugleichen. Beim anfliegenden Topspin muss ich ihn mehr schließen. Diesen Effekt kann man sehr gut an Returnbrettern beobachten.

Wenn ich selbst mit einem Topspin gegen Unterschnitt agiere, kann ich den Schläger natürlich nicht so weit geöffnet halten. Um aber gerade Topspins gegen viel Unterschnitt überhaupt erlernen zu können, hilft das Hinhalten des Schlägers in der geöffneten Stellung sehr viel weiter. Es wird deutlich: Nicht Kraft ist die maßgebliche Eigenschaft für einen Topspin gegen viel Unterschnitt, sondern das Feeling für den richtigen Schlägerblattwinkel und gutes Timing. Wie stark sich die Winkel ändern müssen, um die richtigen Flugkurven zu haben, hängt natürlich vom Material ab. Hier spielt zum einen das Holz eine Rolle: Je härter und direkter der Absprung ist, desto mehr müssen Winkel verändert werden, desto gefühlvoller muss der Kraftstoß sein. Auch der Belag ist natürlich ein entscheidender Faktor: Je griffiger und katapultartiger, desto mehr ändern sich auch hier die Winkel. Bei wenig griffigen Belägen wie auch bei Noppen außen oder Antitop wirken sich die Rotationsunterschiede nicht so aus. Dies passiert natürlich auch bei den langsamen und wenig griffigen, sogenannten Kaufhausschlägern. Sie sind so fehlerverzeihender, aber das Umgehen mit Rotation und Erlernen von Rotation wird so verhindert. Je später die Kinder dann den Umstieg wagen wollen, desto schwieriger wird er.

Rotationsumkehr, Rotationserhalt – wann passiert was?
Hier gibt es immer wieder sehr widersprüchliche Aussagen auch von Spielern, die schon recht lange spielen. Findet bei der Situation Topspin gegen Unterschnittabwehr eine Rotationsumkehr statt? Das ist mitnichten so. Es ist nur eine Frage der Richtung des Ballfluges. Derselbe Ball, der in einer Richtung ein Überschnittball ist, ist in der entgegengesetzten Flugrichtung ein Unterschnittball. Den meisten Topspin kann man auf einen Unterschnittball erzeugen, weil man die Drehrichtung beibehält, den meisten Unterschnitt auf einen Topspin. Am leichtesten zu verstehen ist es vielleicht, wenn man sich in die Perspektive des Schiedsrichters begibt und den Ball von hier aus betrachtet. Die Drehrichtung eines Balles, der von links nach rechts mit Unterschnitt fliegt, ist dieselbe, wie die des Balles von rechts nach links mit Topspin.

 

Eine Rotationsumkehr liegt also erst bei Topspin gegen Topspin oder Unterschnitt gegen Unterschnitt vor. In der Praxis sieht man das in folgender  Situation: Spieler A eröffnet langsam mit sehr viel Spin, der Spieler B hält den Schläger nur hin. Der Ball springt hoch ab (siehe oben Unterschnitt) und steht, so kann Spieler A schießen. Die Rotationsumkehr wird dagegen oft bei Seitschnitt-Aufschlägen angewendet. Der Spieler spielt bewusst gegen die Drehrichtung des Balles. Gelingt ihm dies mit der gleichen Drehgeschwindkeit, hat der Ball auf der anderen Seite keinen Seitschnitt mehr. Man kann natürlich auch, wie besonders Waldner es tat, 'mit dem Schnitt spielen' und so die Rotation für den Gegner noch einmal verstärken.

Um zu beobachten, was mit den Rotationen passiert, und sicherlich auch als sehr interessante Lernhilfe bieten sich die JOOLA-Spinbälle an. Diese sind zweifarbig, so kann man deutlich leichter Drehrichtungen und Stärke erkennen.

Ergänzung: In der Praxis gibt es nach dem Aufsprung auf dem Tisch eigentlich keinen ganz rotationslosen Ball mehr. Durch die Reibung auf dem Tisch bei der gleichzeitigen Vorwärtsbewegung des Balles entsteht immer eine leichte Vorwärtsrotation, die vom Aufsprungwinkel des Balles, dem Tempo des Balles und den Tischeigenschaften abhängig ist. Dieses geringe Maß an Vorwärtsrotation geht er Unterschnittwirkung natürlich verloren, bzw. verstärkt die Oberschnittwirkung.

Der Autor
Martin Adomeit war Nationaltrainer in vier verschiedenen Nationen (Deutschland, Luxemburg, Belgien und Nigeria) und gewann mit allen Nationen Medaillen bei Welt-, Europameisterschaften oder African Games. 1998 wurde er in Deutschland Trainer des Jahres. Jetzt arbeitet der 52-jährige Lippstädter als freiberuflicher Trainer. Er führt unter anderem Lehrgänge für Vereine, Bezirke oder Verbände durch, gibt Einzeltraining und betreibt einen TT-Shop. International betreute er beispielsweise Quadri Aruna beim World Cup in Düsseldorf. Zuletzt führte er Nigerias Herrenteam zum Mannschaftstitel bei den All African Games und ist damit der erste Trainer, der auf verschiedenen Kontinenten Titel in kontinentalen Mannschaftswettbewerben gewann.

Zu erreichen ist Martin per Telefon unter 02941-273385 oder per mail unter lippstadt@tt-store.de. Die Adresse der Webseite ist www.lippstadt.tt-store.de.

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