Wie eröffne ich geschickt aus der Rückhand-Hälfte? (©Roscher)
14.04.2015 - Es ist immer wieder das Gleiche: Im Training trifft der Spieler fast alle Rückhandtopspins. Vorhandtopspins aus der Mitte sind ohnehin kein Problem und dann geht er in den Wettkampf und es geht nichts mehr. Besonders in engen Spielsituationen geht die Trefferquote dramatisch nach unten. Wie Sie solche Schwierigkeiten überwinden können, erklärt Ex-Bundestrainer Martin Adomeit im heutigen Trainingstipp!
Die Ursache dieser Probleme liegt hierfür sicherlich oft in der Anspannung. Der Spieler ist nicht so locker, die Situationen laufen nicht reihenweise ab wie im Training. Hier werden die Situationen oft isoliert trainiert. Die Entscheidung für die einzelne Spielsituation fällt weg und so können die grundsätzlichen Entscheidungen früh getroffen werden. Die Position mit Schläger und Körper wird früh eingenommen, der Ablauf des Schlages im Gehirn früh eingeleitet. Dann klappt alles. Zudem wird dadurch oft auch eine andere Dynamik als im Wettkampf erreicht, das Ganze fühlt sich super an. Zudem werden hier viel eher die gelungenen Bälle betrachtet, Fehler leichter hingenommen und keiner klappt bei jedem leichten Fehler das Zählgerät um. Zur wettkampfstabilen Technik des Schlages gehört aber das Entscheidungsverhalten zu den Schlägen unmittelbar dazu, zusätzlich muss es noch immer plötzliche Überraschungen geben, um die Technik variabel einsetzen zu können. Dazu muss auch mal die Fehlerquote eine Rolle spielen. Wir müssen im Training auch fordern, dass die Trefferquote sehr hoch wird. Sicherlich kann Training nie einen Wettkampf komplett abbilden, aber wir müssen versuchen, möglichst nah heranzukommen. Zudem muss die Aufgabe im Training einen Tick schwieriger sein, um den Kopf mehr zu fordern und dennoch die Technikvariablen herauszukramen. Im Wettkampf sind noch so viele andere Dinge im Kopf (unbekannter Gegner, Folge des Sieges und der Niederlage, Mannschaftsgefüge...) und dennoch soll der Schlag problemlos gelingen, quasi im Schlaf.
Das Training anspruchsvoll gestalten
Auch für das psychische Befinden ist es sinnvoller, das Training mit seinen Anforderungen deutlich zu erschweren. Wenn im Training alles klappt, fühlt sich der Spieler gut, aber dies bricht im Wettkampf dann oft schnell zusammen. Die Erwartungshaltung wird höher. Der Maßstab wird vom Spieler plötzlich an der Durchführung im Training gesetzt, dann geht er in den Wettkampf. Es klappt nicht so gut und seine Stimmung wird direkt schlechter, es entsteht eine Negativspirale. Die können wir im Wettkampf gar nicht gebrauchen, daher muss Training anspruchsvoller und schwieriger als Wettkampf sein. Dann fühlt sich der Spieler im Laufe des Wettkampfs plötzlich besser. Das ist für uns Trainer im Training zwar oft schwerer auszuhalten, aber gleichzeitig haben wir im Training die Chance, an diesen Negativspiralen zu arbeiten. Dem Spieler auch die Lernerfahrung mitzugeben. Es kann schwer sein, ich bekomme es vielleicht zunächst gar nicht in den Griff. Doch mit steigender Übungsdauer, wenn ich mich beharrlich weiterentwickle, kann es funktionieren. Erfolg nach einer langen Suche nach Erfolg ist viel schöner.
Verschiedene Aspekte der Wahrnehmung
In der Situation der Eröffnung aus RH oder Mitte gibt es verschiedene Aspekte der Wahrnehmung, die erst durchlaufen werden müssen, bevor man eine Schlagbewegung wirklich einleiten kann. Zu diesem zeitversetzten Beginn muss ich den Spieler zwingen. Ihn fähig machen, es auch zu tun, und nicht aus dem Gefühl des Zeitdrucks heraus Entscheidungen zu früh zu treffen.
Ein Aspekt, der wichtig für die Tischdistanz und auch die Schlägerhöhe ist: Ist es eine Situation, in der eröffnet werden kann? Beispiel: War der Aufschlag kurz genug, spielt der Gegner einen langen oder halblangen Rückschlag?
Ein weiterer Aspekt: Von wo kommt der Rückschlag und wo geht er hin? Kommt der Ball eher in VH, RH oder Richtung Ellenbogen? Erst dann kann der Spieler beginnen, seine Körperposition in diese Richtung zu bringen. Erst danach erfolgt die Feinjustierung. So lange muss ein Beginn der Schlagbewegung unterbleiben, weil sonst die Beine blockieren.
Ebenfalls wichtig: Mit welcher Rotation und welchem Tempo kommt der Ball? Wenn das nicht klar ist, wird ein zu frühes Einleiten der Schlagbewegung – beispielsweise es kommt ein Flip und der Schläger ist schon sehr weit unten – für Topspin einen Fehler zur Folge haben. Vor allem wird das Timing für den Schlag gar nicht stimmen.
Und: Was für eine Wirkung will der Spieler in Abhängigkeit vom Gegner (seiner Position, seinen Stärken und Schwächen und ihm selbst (Position, Stärken, Schwächen) erreichen?
Erst wenn diese Aspekte alle entschieden und beurteilt sind, kann optimalerweise der Beginn der Schlagbewegung erfolgen.
Das einzige kleine Problem daran ist, dass dem Spieler nur Sekundenbruchteile Zeit für all diese Beobachtungen und Überlegungen bleiben. Aber genau dieser Herausforderung muss man sich im Training stellen. Und Herausforderungen anzunehmen und sie zu lösen, machen natürlich viel mehr Spaß, wenn sie auch dementsprechend schwer sind. :)
1. Übung: halbregelmäßige Wechsel von VHT/RHT in der Situation gegen Block
Spieler A: 1 x VHB in VH Spieler B: VHT in VH
1 x VHB in RH/Mitte VHT/RHT in VH
usw.
irgendwann 2 x VHB in VH
frei
2. Übung: unregelmäßige Wechsel von VHT/RHT in der Situation gegen Block
Spieler A: 0 - 7 x RHB in RH/Mitte Spieler B: RHT/VHT in RH
RHB in VH
freies Spiel
3. Übung: Entscheidungen VHT/RHT gegen Sch
Spieler A: KA in VH (LA in Mitte - frei) Spieler B: Sch in RH/Mitte (KR in VH - frei)
VHT/RHT in RH RHB eine Ecke
frei
Zu Grafik 3
4. Übung: Entscheidungen VHT/RHT gegen unterschiedliche Rotationen
Spieler A: KA in Mitte (LA in Ecken frei) Spieler B: F/Sch in RH/Mitte
VHT/RHT in Ecken mit der B Rückschlag
(also bei VH-Rückschlag in VH, bei RH-Rückschlag in RH) B/T in RH/Mitte
frei
5. Übung: VHT/RHT auf HLA und LA
Spieler A: HLA/LA in RH/Mitte Spieler B: VHT in RH/RHT in VH
B/T in weite VH VHT andere Ecke
frei
6. Übung: VHT/RHT direkt oder nach kurz
Spieler A: KA überall (LA - frei) Spieler B: KR in VH/LR in RH/Mitte
bei KR: KR jetzt weiter wie nach LR
bei LR: VHT/RHT auf Ellbogen B/T eine Ecke
frei
Zu Grafik 6
7. Übung:
Spieler A: B in Mitte oder VH Spieler B: VHT in RH/Mitte
1 - 3 x B in RH RHT in RH/Mitte
B in VH/Mitte
frei (Versuch direkter Punktgewinn mit VH)
Auch hier helfen natürlich Motivationen für das Erreichen des Ziels weiter. Je nach Trainingssituation, Gruppe, Alter.....
8. Übung: unregelmäßiger Wechsel zur VH Aktivspiel in Verbindung mit Aufschlag/Rückschlag
Spieler A: KA in Mitte/RH Spieler B: F in RH
(LA - frei) (LR in VH- frei)
RHT in RH 0 - 3 x B in RH
RHT in RH B in VH
VHT
frei
9. Übung: kurz - kurz, dann Wechsel von RH zur VH
1 - 4 x kurz - kurz über RH
Spieler A: Sch/F in RH Spieler B: RHT in RH/Mitte
0 - 1 x B in RH RHT in RH/Mitte
B in VH/Mitte VHT eine Ecke
frei
10. Übung: Wechsel von RH zur VH in der Passivsituation
Spieler A: KA überall (LA in Ecken frei) Spieler B: F/Sch in 1/2 VH
0- 2 x VHT in RH B in 1/2 VH
VHT in VH aktiver VHB/VHT
frei
Der Autor
Martin Adomeit war Nationaltrainer in drei Nationen (Deutschland, Luxemburg und Belgien) und gewann mit allen Nationen Medaillen bei Welt- und Europameisterschaften. 1998 wurde er in Deutschland Trainer des Jahres. Jetzt arbeitet der 51-jährige Lippstädter als freiberuflicher Trainer. Er führt unter anderem Lehrgänge für Vereine, Bezirke oder Verbände durch, gibt Einzeltraining und betreibt einen TT-Shop. International betreute er zuletzt Quadri Aruna beim World Cup in Düsseldorf. Zu erreichen ist Martin per Telefon unter 02941-273385 oder per mail unter lippstadt@tt-store.de. Die Adresse der Webseite ist lippstadt.tt-store.de.
Zum pdf-Download des Trainingstipps
(MA)
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