In diesem Jahr wird der World Cup wohl ohne Timo Boll stattfinden (©Stosik)

24.08.2015 - Für den World Cup in Schweden Mitte Oktober verweigert die ITTF Timo Boll die Wildcard und vergibt sie an ein schwedisches Nachwuchstalent. Einzige Chance für den zweifachen World-Cup-Sieger: der Ausfall eines anderen Cracks. Die Nicht-Teilnahme wäre schon ärgerlich genug, zusätzlich könnte dies den Deutschen um eine gute Setzung bei Olympia 2016 bringen. Immerhin: Dass er sich auch ohne World-Cup-Teilnahme den Startplatz für Rio erspielen wird, gilt als sicher.

Timo Boll hat verloren. Der Rekord-Europameister, die Nummer sieben der Weltrangliste und World-Cup-Dritter des Vorjahres, hatte das Nachsehen gegen einen 18-jährigen Schweden, Anton Källberg, aktuell 105ter der Männer-Welt und Jugend-Europameister. Verloren hat Boll aber nicht am Tischtennistisch, sondern an einem Schreibtisch in Lausanne am Sitz des Weltverbands ITTF. Die Wildcard für das zusammen mit Olympischen Spielen und Weltmeisterschaften wichtigste „Grand-Slam-Turnier“, den World Cup, ging nicht an Boll, sondern an den Hagener TTBL-Spieler Källberg. Und deshalb ist der zweifache Olympia-Medaillen-Gewinner aus deutscher Sicht zu Recht maßlos enttäuscht und mit ihm der Deutsche Tischtennis-Bund.

„Ich spiele seit 13 Jahren unter den Top 10 der Welt, stehe derzeit auf Position sieben und fühle mich ohne jede sportliche Begründung ausgebootet, und das im vorolympischen Jahr“, ärgert sich Timo Boll. „Ich dachte, es ginge bei einem World-Cup-Finale um Leistung und nicht um Gefälligkeiten dem Ausrichter gegenüber.“ DTTB-Ehrenpräsident und Boll-Mentor Hans Wilhelm Gäb ist ebenfalls erschüttert: „Das ist eine Entscheidung gegen den Geist des Sports. Der World Cup ist kein Förderturnier für Nachwuchsspieler. Timo Boll beweist bei jedem internationalen Turnier, dass er zur absoluten Weltklasse gehört, und hat daneben eine Strahlkraft über unseren Sport hinaus.“ Und Präsident Michael Geiger ergänzt: „Es ist legitim, dass die Schweden die Wildcard beantragt haben, auch wenn sie als Gastgeber bereits mit einem Sonder-Startplatz berücksichtigt worden waren. Die Entscheidung der ITTF aber, die die Spielklasse eines Athleten und dessen weltweite Publikumswirksamkeit gänzlich unberücksichtigt lässt, ist für uns völlig unverständlich.“

Nicht-Teilnahme am World Cup: Im Jahr vor Olympia doppelt schlimm
Die Nicht-Teilnahme Bolls am Prestige-Turnier, bei dem viele Weltranglistenpunkte vergeben werden, wäre allein schon schlimm genug. Im Jahr vor den Olympischen Spielen ist sie für den Düsseldorfer besonders bitter. Boll, der sich bei den Europaspielen in Baku eine Lebensmittelvergiftung zuzog und aufgeben musste, hatte deswegen keine Chance, sich bereits dort für Rio zu qualifizieren und wollte mit einem guten Ergebnis beim Weltcup und entsprechender Platzierung in der Weltrangliste sich selbst im Einzel und der deutschen Mannschaft in Rio eine gute Setzposition erarbeiten.

Kein Einspruch gegen eine Wildcard möglich
Für den World Cup (16. bis 18. Oktober in Halmstad) erhält die Gastgebernation automatisch einen Startplatz, wenn keiner ihrer Spieler die sonstigen Qualifikationskriterien erfüllt, die einzige Wildcard liegt bei der ITTF. Schweden vergab sein Ticket an den Weltranglisten-69sten und zweitbesten Skandinavier, Kristian Karlsson, und schlug dem Weltverband parallel dazu Källberg für die ITTF-Wildcard vor, was der DTTB wiederum für Boll tat.

Gegen die Entscheidung der ITTF protestierten der DTTB und sogar Boll persönlich – ohne Chance. „Gegen die Entscheidung der Vergabe einer Wildcard kann man keinen Einspruch einlegen. Es ist eben eine Wildcard, und für die gibt es keine detaillierten Kriterien“, erklärt ITTF-Direktorin Judit Farago. „Timo ist ohne Zweifel ein exzellenter Spieler mit großartigen Erfolgen, aber für eine Wildcard sind solche Ergebnisse nahezu unbedeutend.“ Thomas Weikert, ITTF-Präsident und ehemaliger DTTB-Chef, hatte sich bei den relevanten Entscheidungen der Stimme enthalten, um sich nicht dem Vorwurf der Befangenheit auszusetzen.

Einzige Chance für Boll: Absage eines Kontinental-Qualifikanten
Das einzige Qualifikationsturnier für den World Cup, das Europe Top 16 im Februar, hatte Timo Boll wegen einer Hüftverletzung im Vorfeld absagen müssen. „So ein Fall von Pech und unverschuldetem Ausfall ist eigentlich das Musterbeispiel für eine Wildcard“, sagt DTTB-Präsident Geiger und fügt hinzu: „Timo ist der am höchsten eingestufte Spieler in der Weltrangliste, der nicht am World Cup teilnehmen kann. Niemand hätte die Entscheidung, ihm die Wildcard zu geben, kritisieren können.“

Eine kleine Hoffnung bleibt: Sollte jemand aus dem Kreis der 17 über die Kontinental-Turniere Qualifizierten absagen, wäre der zweifache World-Cup-Champion der Ersatzmann, entschied mittlerweile das ITTF-Präsidium. Sagt niemand ab, wäre European-Games-Sieger Dimitrij Ovtcharov der einzige Deutsche im Teilnehmerfeld.

Die 20 Startplätze beim World Cup in der Übersicht (Sortierung nach ihrer Weltranglistenposition im August 2015):
1. Weltmeister: Ma Long, CHN (Weltrangliste: 1)
2. Gewinner Asien-Quali: Xu Xin, CHN (2)
3. Gewinner Europa-Quali: Dimitrij Ovtcharov, GER (5)
4. Dritter Asien-Quali (Asiens Zweitplatzierter, Fan Zhendong, ist als dritter Chinese nicht für den World Cup startberechtigt. Maximal sind zwei Spieler pro Nation zugelassen.): Jun Mizutani, JPN (6)
5. Zweiter Europa-Quali: Marcos Freitas, POR (10)
6. Siebter Asien-Quali: Koki Niwa, JPN (11)
7. Vierter Asien-Quali: Tang Peng, HKG (14)
8. Achter Asien-Quali: Gao Ning, SIN (17)
9. Fünfter Europa-Quali: Tiago Apolonia, POR (18)
10. Dritter Europa-Quali: Panagiotis Gionis, GRE (23)
11. Sechster Europa-Quali: Robert Gardos, AUT (24)
12. Gewinner Afrika-Quali: Omar Assar, EGY (30)
13. Fünfter Asien-Quali: Kim Minseok, KOR (32)
14. Vierter Europa-Quali: Simon Gauzy, FRA (36)
15. Sechster Asien-Quali: Sharath Kamal Achanta, IND (41)
16. Gewinner Südamerika-Quali: Gustavo Tsuboi, BRA (52)
17. Startplatz Gastgeber-Verband: Kristian Karlsson, SWE (69)
18. ITTF-Wildcard: Anton Källberg, SWE (105)
19. Gewinner Ozeanien-Quali: William Henzell, AUS (117)
20. Gewinner Nordamerika-Quali: Jimmy Butler, USA (415)

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(DTTB/DK)