Pro vs. Contra

Pro vs. Contra: Links-Rechts-Kombinationen im Doppel

Ist eine Links-Rechts-Kombination das Maß aller Dinge? (©Flickr/ITTFWorld)

02.10.2016 - Es ist eine weit verbreitete Weisheit im Tischtennis: Ein Duo aus einem Links- und einem Rechtshänder ist die beste Doppelkombination, die möglich ist. Doch ist das wirklich so? Geben die Spielstile nicht einen größeren Ausschlag? In unserer aktuellen Pro vs. Contra-Ausgabe diskutieren unsere freien Redakteure Jan Lüke und Lennart Wehking das Thema aus und sind dabei wie gewohnt natürlich nicht immer ganz einer Meinung.

PRO

„Die sind gut im Doppel. Die haben ja drei Linkshänder drin.“ „Unser Neuer ist als Linkshänder natürlich gut im Doppel.“ Es sind immer dieselben Phrasen, die in den Hallen landauf und landab kräftig gedroschen werden, wenn es ans und ums Doppelspielen geht. Bei dem haben Linkshänder und die mit ihnen zu bildenden Kombinationen aus Rechts- und Linkshänder einen prächtigen Ruf. So eine Rechts-Links-Kombi, wenn sie denn gebastelt werden kann, hält in fast jeder Mannschaft quasi den Persilschein fürs Spitzendoppel in den Händen. Und warum? Na, weil’s halt so ist. Ich glaube tatsächlich, dass es so ist. Aber schauen wir uns das Ganze mal näher an.

Die Gründe für ein Rechts-Links-Doppel sind tatsächlich gar nicht mal schlecht. Sie sind sogar ziemlich gut. In der Regel ist es die Vorhandseite, die – bei Profis wie bei Amateuren – die stärkere ist. Zumindest bei Offensivspielern und ihrem Grundschlag: dem Topspin. Spieler öffnen den Tisch deshalb stärker zur Vorhandseite, agieren in der Tischmitte und bisweilen weit darüber hinaus in Richtung Rückhand mit ihrer stärkeren Schlagseite: eben mit der Vorhand. Das liegt auch daran, wie die Schlagtechniken aufgebaut und wie sie von Beinarbeitstechniken begleitet werden. Der Treffpunkt bei Vorhandschlägen liegt durchweg neben dem Körper und nicht davor. Die Reichweite des Schlagarms kann dementsprechend zu einem nicht unwesentlichen Teil dazu genutzt werden, Distanzen am Tisch zu überbrücken und Abstände zum Treffpunkt zu regulieren. Auch fallen einige Beinarbeitstechniken wie Kreuzschritte oder Sidejumps aus dem Tisch heraus in die tiefe Vorhandseite nicht nur generell leichter, sie sind auch ergiebiger mit der jeweiligen Schlagtechnik auf der Vorhandseite zu kombinieren. Ein Kreuzschritt oder ein Sidejump kann als Bewegung in einem Fluss etwa in einen Vorhandtopspin übergehen, wie ich erst jüngst wieder von einem Fachmann gelernt habe ;). Bei der Rückhand sieht das schon anders aus.

All das fällt auch ins Gewicht, wenn es um die Stärken eines Rechts-Links-Doppels geht. Denn das kann auf beiden Tischhälften und über beide Diagonalen mit der Vorhand agieren. Es kann damit auch seine vermeintlichen Stärken besser einsetzen – und schlechter auf seinen Schwächen festgenagelt werden. Dazu kommen die gemeinsamen Laufwege, die weniger komplex ausfallen: Für die nämlich müssen sich die beiden Partner nicht zwingend im Wechsel voreinander schieben, idealerweise in einer Kreisel-Bewegung. Sie können sich auch von ihrer jeweiligen Rückhand-Seite in den Tisch bewegen – und wieder heraus.

Ich bin der Meinung, dass all diese Argumente tatsächlich treffen. Klar ist aber auch: In ihrer Allgemeingültigkeit ohne Ausnahme ist die These vom überlegenen Rechts-Links-Duo selbstredend grober Unfug. Es gibt gute Rechtshänder im Doppel, die sich im Aufschlag-/Rückschlag-Bereich, in der Tischaufteilung oder der Platzierung deutlich besser anstellen als Linkshänder, die jeden Rückschlag lang und jeden Topspin diagonal spielen. Es gibt Spielsysteme, die nicht zusammen passen – etwa weil der Rhythmus am Tisch ein vollkommen anderer ist. Und es gibt natürlich auch Spieler, deren stärkere Schlagseite schlichtweg natürlich gar nicht die Vorhand ist. Das fängt beim Rückschlag an, bei dem der Rückhand-Flip in den vergangenen zehn Jahren eine immer größere Bedeutung erfuhr. Das hört mittlerweile nicht selten beim Endschlag auf. Es gibt also genug Ausnahmen von der Regel. Die aber lautet für mich nach wie vor: Rechts-Links-Doppel stechen! Und das ist keine Phrase!

(Jan Lüke)

CONTRA

In einem 4er-Team mit drei Linkshändern hatte ich auch noch nie gespielt. „Was machen wir da eigentlich in den Doppeln?“ Genau diese Frage beschäftigte unseren Trainer zu Beginn der vergangenen Saison nachdrücklich. Denn an der doch sehr unüblichen Links-Links-Kombination führte kein Weg vorbei. Auch ich war ehrlich gesagt ziemlich skeptisch, hatte ich doch zuvor alle guten Doppelergebnisse mit einem rechtshändigen Partner erspielt. Links-Rechts im Doppel, eigentlich immer das Maß aller Dinge – die taktisch-technischen Vorteile einer solchen Kombination hatten über die Jahre den Status eines Doppel-Codex erlangt und klangen immer wieder aufs Neue überzeugend: einfachere Laufwege, bessere Abstimmung, unkomplizierterer Matchplan. Doch nach einem Jahr persönlicher Feldstudie muss ich sagen: Mitnichten!

Die Erfahrung am eigenen Leib, dass auch eine Kombination aus zwei Linkshändern erfolgreich agieren kann, ohne dabei völlig atypischen Spielveranlagungen zu folgen, hat meine bisherigen Ideen zum Doppelspiel zwar nicht völlig über den Haufen geworfen, zumindest aber um eine spannende Option erweitert. Denn eines steht für mich nun fest: Die Spielsysteme der beiden Partner, nicht aber per se ihre Händigkeit, sind der bestimmende Faktor für ein erfolgreiches Doppel. So steht außer Frage, dass zwei vorhanddominante Spieler dann ein gutes Doppel bilden, wenn sie die Gegner mit ihrer Vorhand unter Druck setzen können. Ohne komplizierte Laufwege und möglichst mit der Grundposition in der Rückhandseite. Das Schema trifft auf eine Links-Rechts-Paarung mit großem Hang zum Vorhandschwinger somit zu. Sobald jedoch einer der beiden Spieler lieber mit einer Rückhandfackel den Punkt erzwingen will, geht das Konzept schon nicht mehr ganz auf – ergo: Spielsystem und technische  Anlagen, insbesondere die Beinarbeit, sind Stellgrößen, die bei der Zusammensetzung eines Doppels beachtet werden müssen. Eben deshalb ist es durchaus möglich, dass zwei Linkshänder sich nicht über den Haufen laufen, sondern auch eingespielten Paarungen durchaus mal in die Doppel-Suppe spucken können. Ich staune immer wieder, wenn mein aktueller Doppelpartner recht gemütlich mit der Rückhandbanane oder einem präzisen kurzgelegten Rückhandball auf den Aufschlag antwortet und mir damit die Möglichkeit eröffnet, wie gewohnt aus der Rückhandseite mit der Vorhand ins Spielgeschehen einzugreifen.

Generell werden neben einer guten Tischaufteilung und dem automatisierten Einsatz von Beinarbeitstechniken häufig die Aufschlag-, insbesondere aber die Rückschlagqualitäten für den Erfolg oder eben Misserfolg eines Doppels unterschätzt. Die aggressive, in der Platzierung präzise Spieleröffnung über den Rückschlag bietet fast immer die Chancen, den Partner gut in Position zu bringen, zumindest nicht direkt für eine Stresssituation zu sorgen. Gutes Beispiel war die japanische Kombination im olympischen Herren-Halbfinale, die mit fast jedem Rückschlag das deutsche Doppel direkt unter Druck setzen konnte. Auch hier spielt es nur bedingt eine Rolle, welche  Kombinationen das Doppel bildet. 

Fest steht auch, dass ein gutes Doppel nur selten vom Himmel fällt – unabhängig von der Kombination aus Links- oder Rechtshändern. So wundere ich mich oft, wie selten das Doppelspiel systematisch und in Wettkampfform trainiert wird. Die Abstimmung der Laufwege, die Antizipation gegnerischer Aktionen auf bestimmte Bälle des Partners und die Entwicklung taktischer Finessen brauchen ihre Zeit. Schade, dass das Doppel international so stark an Reputation verloren hat, trotz seiner Bedeutung im olympischen Mannschaftssystem. Denn perfekt aufeinander abgestimmte, erfolgreiche Doppelpaarungen erweitern in meinen Augen unseren Sport um eine technisch und taktisch anspruchsvolle Facette – völlig egal, in welcher Kombination. Vielleicht wird in der Zukunft wieder ein olympischer Doppelwettbewerb ins Leben gerufen, oder die TTBL nimmt dieses spannende Element wieder mit ins Programm – ich würde es mir wünschen.

(Lennart Wehking)

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