Pro vs. Contra

Pro vs. Contra: Wettkämpfe im Training spielen?!

Lennart Wehking und Jan Lüke sind sich über den Sinn von Trainingswettkämpfen uneinig (©Fabig)

02.10.2015 - Die Meinungen darüber, wie ein optimales Training aussehen soll, gehen teilweise weit auseinander. Dass ein simulierter Wettkampf auch im Training sinnvoll sein kann, klingt in der Theorie auf den ersten Blick schlüssig. Wie unsere freien Redakteure Lennart Wehking und Jan Lüke zeigen, gibt es aber für beide Seiten gute Argumente. Also Frage an Sie: Halten Sie Trainingswettkämpfe für eine gute Sache oder kann man darauf gut verzichten?

 
 
 

PRO

Es knisterte richtig in der Halle. Kein lockeres Lachen oder heimliches Gähnen wie sonst üblich bei Trainingsbeginn. Auch beim Warm-Up und Einspielen spürte ich eine ganz andere Atmosphäre. Als ich im Sommer 2004 für sechs Wochen im Unterbau der Shanghaier Superleague-Mannschaft mittrainierte, staunte ich nicht schlecht an jenem ersten Samstagmorgen meines China-Aufenthalts. Was war passiert? Das wöchentliche Trainingsturnier war angesetzt worden, und ich dachte damals nur: Naja, nichts Außergewöhnliches. Von wegen! Es wurde gefightet, gefaustet und gerungen, als ob es um alles ginge – und ich mittendrin. Eine meiner besten Einheiten des sechswöchigen Trainingsmarathons - so konnte ich an diesem Vormittag nach einer Woche voller frustrierender Packungen meinen ersten Trainingssieg erringen. 

Seit diesem prägenden Ereignis aus meiner Jugend weiß ich: Wettkampf im Training ist ein Muss! Natürlich bin ich mir auch bewusst, dass diese besondere Stimmung im Alltag nicht immer geschaffen werden kann. Dennoch sollte es möglichst in jedem Training zumindest für einige Zeit um Punkte gehen. Nur so kann man sich selbst testen und überprüfen, inwieweit die Trainingsinhalte im völlig freien Spiel anschlagen. Inwieweit die wichtigsten Bälle sitzen und inwieweit ich über einen oder mehrere Sätze einer taktischen Ausrichtung folgen kann. Außerdem finde ich ganz persönlich: Nur Systemtraining ist auf Dauer einfach öde. Auch oder gerade für diejenigen, die nur ein-, zweimal pro Woche in die Halle zischen und dann in zwei Stunden am Tisch das Beste rausholen wollen, stellt das Trainingsmatch zumeist das Highlight des Abends dar. Völlig zu Recht. Ob es dabei gegen einen altbekannten Mannschaftskollegen oder einen Überraschungsgast geht, spielt gar nicht mal so eine große Rolle. Viel wichtiger: Es muss Zunder drin sein! Je höher die Spannung am Tisch, desto näher kommt man dem „echten“ Wettkampfgeschehen und desto sinnvoller sind die Wettkampfphasen für das eigene Spiel. 

Rumlümmeln, Sprüche klopfen und Kunstschläge ausprobieren im Dunstkreis von Punkten – das fällt für mich nicht unter Wettkampftraining. Das bringt überhaupt nichts. Variabilität und Spielwitz lassen sich im Training um Punkte nur dann realistisch abfragen, wenn man gewinnen will. Wenn man auf keinen Fall als Verlierer nach dem Training in der Kneipe auftauchen möchte, wenn man auch im Training richtig heiß läuft. Dafür können intrinsische Motive sorgen: aus reinen Prestigegründen etwa, als Nummer eins des Teams eben nicht gegen die Nummer vier zu vergurken oder auch im 36. Trainingsspielchen hintereinander das junge, aufstrebende Talent in die Schranken zu weisen. Falls die innere Motivation nicht ausreicht, helfen oft extrinsische Motive: Kaltgetränke und andere Wetteinsätze können Anreiz genug sein, sich doch in die Wettkampfmatrix zu begeben und um jeden Punkt zu kämpfen.

Wie auch immer eine solche wettkampfnahe Atmosphäre geschaffen wird, wer einmal richtig um Punkte gefightet und ganz nah an der 100-prozentigen Wettkampfspannung gekratzt hat, wird mir zustimmen: Erst jetzt, bei 9:9 im fünften Satz, kommt es zu Ballwechseln, die auch am Wochenende mit Zählgerät gefragt sind, erst jetzt agieren beide Seiten unter Hochdruck und zumindest zeitweise am Limit. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es schwer ist, diese Spannung aufzubauen und es nicht in jeder Einheit gleich gut funktioniert. Ich gehöre nicht zu den Trainingsweltmeistern und habe im Wettkampf immer fünf Prozent mehr Spannung, die dann oft den Unterschied machen. Und doch wurmt es mich, wenn ich im Training mehrmals hintereinander verliere. Dann verändere ich etwas, probiere aus, gehe höheres Risiko und trainiere für den Ernstfall. Übrigens: Auch gegen schwächere Gegner lässt sich wunderbar um Punkte spielen. Einfach mal eine dicke Lippe riskieren und spendabel ein paar Pünktchen vorgeben. Das wird meistens gar nicht so entspannt aufgenommen und packt die meisten an der Ehre. Und dann brennt es auch am Donnerstagabend an Tisch 7. 

Den Anreiz des chinesischen Trainingswettkampfs habe ich übrigens erst später erfahren: Die beiden Erstplatzierten wurden für ein Spiel in der Superleague nominiert – wenn auch vorerst als Ersatzspieler. Da saß man dann aber mit Wang Liqin neben der damaligen, unangefochtenen Nummer eins der Welt. Hätte ich das mal gewusst.  (Lennart Wehking)

 
 
 
 
 
CONTRA

Ich kann mich noch lebhaft an meine ersten Jahre in einer Senioren-Mannschaft erinnern. Ich als kleiner Steppke hatte damals zwei verdiente Recken im Team, die nicht nur schon seit 40 oder mehr Jahren am Tisch standen, sondern gefühlte 39,9 davon auch gemeinsam in einer Mannschaft. An zwei, drei Trainingsabenden in der Woche waren die beiden auch noch gemeinsam in der Halle. Und weil das alles noch nicht genug war, spielten sie im Training unentwegt: Sätze natürlich. Nicht einen, nicht drei, nicht fünf, nicht sieben. Nein, eigentlich ging es fast immer weit ins Zweistellige. Es war gewissermaßen ein Ritual, ohne das kein Trainingsabend endete. Ritualisiert waren dementsprechend auch die Ballwechsel. Frei nach dem Motto: Wenn du den Ball holst, weiß ich schon, welchen Aufschlag du als nächstes machst. Ich bin mir sicher, dass einige ihrer Matches mit verbundenen Augen exakt genauso verlaufen wären. Satz für Satz, Ballwechsel für Ballwechsel. Und ich bin mir auch sicher: Für die beiden ist die doch arg abgegriffene Sportlerphrase „einen Gegner in- und auswendig kennen“ erfunden worden. Nichts gegen meine beiden Altmeister, die mir am Tisch und abseits davon viel beibringen und mitgeben konnten, aber: Mit Training hatte das alles nicht wirklich viel zu tun. 

Mag das vielleicht ein Sonderfall sein – der aber auch nicht so sonderbar ist, dass es ihn nicht in jedem Verein in ähnlicher Form gibt –, stellt sich mir da doch die Frage: Braucht man Trainingswettkämpfe eigentlich überhaupt? Oder kann man sie nicht größtenteils getrost von seiner Agenda streichen? Kann man – ist zumindest meine Meinung. Der Wert von Trainingsspielen ist in meinen Augen allenfalls bescheiden. 

Vorweg: Die Frage stellt sich dergestalt natürlich vor allem für die, die Training auch als solches nutzen möchten. Für die, die etwas trainieren wollen, die lernen und besser oder zumindest nicht schlechter werden wollen. Ich bin der Letzte, der kein Verständnis für alle anderen hat, denen es rein um den Spaß geht. Die gerne abends eine Runde klickern und daddeln möchten, und das eben am liebsten mit ein paar Sätzchen machen. Ball drunter halten, ein Kaltgetränk als Einsatz ausloben – und los geht die wilde Fahrt. Ein paar Sprüche von den Mannschaftskollegen inklusive. Da kann so ein Spiel im Training natürlich Gold wert sein. 

Die Frage ist wohl eher die danach, ob sich dahinter dann auch ein Trainingseffekt versteckt? Na, ich weiß ja nicht... Ich meine: Na klar, der Grundgedanke ist ja erst mal noch einleuchtend. Ein Trainingsspiel soll den Ernstfall simulieren, nämlich den Wettkampf. Den möchte man ja möglichst erfolgreich bestreiten. Aber wie realitätsnah ist denn so eine Simulation in Form eines Wettkampfs im Training? In dem Moment, wo ein Trainingswettkampf mit den immer gleichen Gegnern absolviert wird, und das ist ja doch in den meisten Fällen so, verliert er meiner Meinung nach viel von seinem Ertrag – sofern er überhaupt noch einen hat. Wem ich zweimal in der Woche im Training gegenüber stehe, den kann ich mit keinem Aufschlag mehr foppen – und er mich natürlich auch nicht. Der kennt mein Spielsystem und meine Schläge aus dem Effeff – und ich seine natürlich auch. Und so weiter, und so fort. 

Das alles hat nicht mehr viel mit dem zu tun, was es eigentlich nachbilden soll: ein Wettkampfspiel, in dem ich mich auf immer neue Situationen einstellen muss, in dem viel Überraschendes und Unbekanntes passiert. Das gibt es im hundertsten Spiel gegen die eigenen Mannschaftskollegen eben nicht mehr. Natürlich will ich dem einen oder anderen Trainingssatz seine Bedeutung nicht vollends absprechen, aber wer trainiert, um wirklich besser zu werden, der tut vielleicht ganz gut daran, die Trainingswettkämpfe hinter alle anderen Trainingsformen einzureihen. Und nicht, wie Trainings ja vielerorts aussehen, Spiel auf Spiel folgen zu lassen. Denn dabei bleibe ich: So ein Trainingswettkampf, der bringt dann recht wenig. Außer vielleicht einen gewonnenen Wetteinsatz. (Jan Lüke)

 


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