Pro vs. Contra

Pro vs. Contra: Einsatz in mehreren Ligen erlauben?

Sollten Spieler in verschiedenen Vereinen spielberechtigt sein dürfen? (Facebookseite Dimitrij Ovtcharov)

25.07.2014 - Timo Boll und Dimitrij Ovtcharov sind auch in der Sommerpause aktiv. Jedoch nicht für Borussia Düsseldorf und Fakel Gazproma Orenburg, sondern in der chinesischen Superleague. Doch was Deutschlands Topduo darf, dürfen noch lange nicht alle: Den 'TT-Normalos' ist es nicht erlaubt, in mehreren Ligen gleichzeitig zu spielen. Sollte diese Regelung geändert werden? Jan Lüke und Lennart Wehking sind mal wieder unterschiedlicher Meinung.

 

 

 

PRO: In den Sommermonaten mal im Ausland sein Glück versuchen, mal in einer anderen europäischen Liga sein Können testen, mal internationale Wettkampfluft schnuppern - was spricht eigentlich dagegen? Bislang die offiziellen Statuten: Wer als Spielerin oder Spieler in einer Mannschaft gemeldet ist, die am deutschen Spielbetrieb teilnimmt, darf weder parallel noch versetzt in derselben Saison in einer weiteren Mannschaft um Punkte kämpfen. Einzig für die deutschen Aushängeschilder Timo Boll und Dima Ovtcharov gelten seit einigen Spielzeiten Ausnahmeregelungen, wodurch die beiden Tischtennisstars in den Sommermonaten in der chinesischen Superleague an den Start gehen dürfen – eine mehr als sinnvolle Sondergenehmigung. Der finanziell lukrative Aspekt spielt beim Engagement der beiden Europameister sicherlich auch eine Rolle, doch eher eine untergeordnete. Vielmehr bringen die täglichen Herausforderungen im knallharten Training der Provinzclubs und das intensive Wettkampfprogramm auf höchstem Niveau die beiden deutschen Top-Ten-Strategen sportlich einen Schritt nach vorne. Einen Schritt heran an die absolute Weltspitze, einen Schritt heran an die Besten der Besten aus dem Reich der Mitte. Die positiven Effekte dieser Auslandseinsätze werden wohl von niemandem aus der deutschen Tischtennisfamilie mehr in Frage gestellt, im Gegenteil: Mit großem Interesse verfolgen zig Fans die Erlebnisse und Ergebnisse von Timo und Dima im Tischtennisland Nummer eins. 

 

Warum eben solche Erfahrungen nicht auch anderen, weniger spielstarken Tischtennisspielern ermöglicht werden sollen, verstehe ich nicht. Na klar, dafür müssten die bisher sehr strikten Regelungen für die Teilnahme am Spielbetrieb überdacht und in der Folge gelockert werden. In anderen europäischen Ländern wie beispielsweise Frankreich, Belgien, England ist eine doppelte Spielberechtigung schon länger gang und gäbe. Die dortigen Ligen sind dadurch gespickt mit ausländischen Gastspielern, die eben nur für einige Begegnungen im Ausland die Reise auf sich nehmen oder mit jenen, die über das ganze Jahr zwischen London und Brüssel pendeln. 

 

Natürlich, Tischtennis ist im Kern ein Mannschaftssport, das soll er auch unbedingt bleiben. Die wöchentlichen Begegnungen in der Liga haben hierzulande Tradition und sind weiterhin der große Anreiz der noch immer 500000 Mitglieder starken Sportart. Das wird sich auch nicht ändern. Gerade in den spielfreien Sommermonaten wäre es bestimmt dennoch eine lohnende Option für einige Wettkampfbegeisterte, sich für ein Gastspiel – und wenn nur für einige Wochenenden - in einem Nachbarland zu begeistern. Es muss ja nicht gleich China oder Russland sein. Insbesondere für junge, ehrgeizige Spieler, ausgestattet mit einem größeren Zeitbudget, könnte ein solches Gastspiel ein unglaublich lohnendes Erlebnis darstellen: raus aus dem bekannten, eingeschliffenen Trainingsalltag, raus aus dem bekannten Wettkampfzyklus mit den oftmals seit Jahren bekannten Gegnern und Spielsystemen. Im besten Falle könnte die neue sportliche Umgebung nicht nur einen Leistungssprung am Tisch, sondern zugleich eine persönliche Entwicklung initiieren. 

 

Für die Riege deutscher Talente aus der zweiten Reihe wäre ein Engagement im Ausland – immer unter der Voraussetzung, dass es sich nicht mit den Interessen des nationalen Clubs beißt – auch finanziell durchaus hilfreich. Die goldenen Zeiten der sehr guten Bezahlung durch die Bundesligaclubs sind passé, das finanzielle Risiko, für einige Jahre auf die Karte Profi zu setzen, gestiegen. 

 

Das ein Interesse an Abenteuern in internationalen Gefilden durchaus vorhanden ist, zeigt sich am Beispiels des Intercups. Dieser seit 25 Jahren bestehende europäische Wettbewerb ermöglicht es auch nicht-professionellen Vereinen, sich auf europäischer Bühne zu präsentieren, spannende neue Kontakte zu knüpfen und rassige Duelle in Europapokalatmosphäre auszufechten. Aus der Erfolgsstory dieses Cups und den wenigen bestehenden Beispielen für ein länderübergreifendes Engagement am Tisch leitet sich für mich eigentlich nur eine Konsequenz ab: Spielerinnen und Spielern sollte die Möglichkeit eröffnet werden, ihren ganz persönlichen Spielplan nach eigenem Gusto auch international zu erweitern! (Lennart Wehking)


 
 

CONTRA: Das Gesicht des FC Barcelona? Ist Lionel Messi. Das Gesicht der Chicago Bulls? War Michael Jordan. Und der New York Rangers? Wayne Gretzky. Der Mannschaftssport lebt auf internationalem Topniveau seit jeher in seiner Wahrnehmung davon, dass bestimmte Athleten zu Ikonen ihrer Klubs aufsteigen. Davon, dass Sportler und Verein eine enge Beziehung eingehen. Davon, dass der Name des Vereins und der Name des Athleten unmittelbar miteinander verbunden sind. Der eine Verein steht für den einen Athleten, der eine Athlet für den einen Verein.
 

Na klar, das ist eine sportromantische Ansicht. Auch in Zeiten, in denen Vereine für hochklassige Sportler zunehmend zu bloßen Arbeitgebern werden, das Identifikationspotenzial für Zuschauer mit ihren Vereinshelden immer weiter zu schwinden droht und Identifikationsfiguren wie die Fußballer Neuer, Götze oder ter Stegen ihren Kindheitsvereinen den Rücken kehren, bin ich der Meinung, dass die Verbindung zwischen einem Sportler und seinem Verein nach wie vor für alle Seiten eine überaus wichtige ist, wenn es um Mannschaftssport geht. Das gilt auch für das Tischtennis, das in seiner Struktur – von der Basis bis zum Topniveau – derzeit noch genau das ist: ein Mannschaftssport. Eine mehrfache Spielberechtigung schwächt die Wahrnehmung und den Wert von Tischtennis als Mannschaftssport – und das für alle Ebenen. Deshalb bin ich gegen eine Mehrfachspielberechtigung – und das ausnahmslos.

 

Bleiben wir zunächst bei den Profis: Auch ich bin mir im Klaren über die Pro-Argumente auf Seiten der Akteure, erst recht für Topathleten wie Dimitrij Ovtcharov und Timo Boll. Die liegen ja schließlich auf der Hand. Ovtcharov & Co. erhalten hochklassige Wettkampfpraxis, bestmögliches Training, eine weitere Verdienstmöglichkeit und machen ihren Namen auf einem Kontinent der Welt bekannt (oder besser gesagt: noch bekannter), in der Tischtennis eine herausragende Bedeutung einnimmt. Für die Athleten bieten sich ausnahmslos Vorteile. Ich würde es nicht anders machen, wenn ich die Wahl hätte.

 

Das aber ist meiner Meinung nach nicht die ausschlaggebende Perspektive. Die Frage ist vielmehr, ob es für den Tischtennissport als Ganzes und perspektivisch wirklich sinnvoll ist, seine Akteure mit Spielberechtigungen für mehrere Klubs freizugeben? Dahinter steckt wiederum, wie bereits angerissen, die Frage, ob sich Tischtennis – in Deutschland, Europa und der Welt – stärker als Mannschaftssportart denn als Individualsportart verstehen möchte. Derzeit ist Tischtennis Mannschaftssport. Und der verliert meiner Meinung nach an Bedeutung, wenn es Spielern möglich ist, austauschbar für mehrere Klubs zum Schläger zu greifen. Dann ist der Verein und das Ligensystem dahinter nicht mehr als eine beliebige Organisationsform von Wettkampfsport. Ohne Unterschied zu Turnieren und Ranglisten, wo sich jeder mit Eigeninteressen durch die Runden und Spiele schlägt. Dabei kann und sollte der Verein viel mehr sein – nicht zuletzt der Ort, wo Talente entdeckt, gefördert werden und Sportlern ein soziales Gefüge gegeben wird.

 

Es geht deshalb nicht um die Einzelfälle wie Ovtcharov und Boll, um die es zu streiten gilt. Es geht da schon eher um andere europäische Länder wie Frankreich oder Belgien, die längst mehrfache Spielberechtigungen zulassen. Das alles ist in gewisser Weise nachzuvollziehen, sollte dann aber mit der Konsequenz getragen werden, dass die Bedeutung des Mannschaftssports im Tischtennis nach und nach abnehmen wird, was dem Sport sicherlich auf lange Sicht Schaden zufügen wird. Gerade in einem Land wie Deutschland, das von einer ausgeprägten Vereinskultur weit über das Tischtennis hinaus lebt. Werden nun Ausnahmen für einzelne Athleten gemacht, die sinnigerweise gerade vor allem für Topathleten bestehen, für die Engagements in mehreren Ländern infrage kommen, besteht zumindest die Gefahr, dass die Position und Bedeutung der Vereine insgesamt geschwächt werden könnte. Auch an der breiten Basis, die den Vereinscharakter im Tischtennis von ihren Besten vorgelebt bekommen sollte. Sonst wird es auch für den Landes- oder Kreisklassen-Spieler irgendwann zunehmend bedeutungsloser, ob er seine Wettkämpfe für seinen Verein in der Mannschaft oder für sich in einem Turnier bestreitet. Wenn Tischtennis aber Mannschaftssport bleiben soll, heißt es für alle: ein Verein pro Spieler! (Jan Lüke)

 

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