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Olympiasieger Ryu: "Noch genau an letzten Ball erinnern"

Ryu Seung Min beim Pokalfinale Ende Dezember (©Roscher)

15.05.2014 - Er gewann im Jahr 2004 Einzel-Gold bei den Olympischen Spielen, 2007 Bronze bei der WM: Wenn es um den Südkoreaner Ryu Seung Min geht, dann ist die Liste an Erfolgen weit länger als diese beiden Ereignisse. Gegenüber myTischtennis.de sprach der 31-jährige Ochsenhausener über das anstehende ETTU Cup-Finale gegen Saarbrücken, die südkoreanische Nationalmannschaft und blickt zurück auf seinen Olympia-Triumph.

myTischtennis.de: Seit wann spielen Sie Tischtennis? Haben Sie als Penholder angefangen?

Ryu Seung Min: Ich habe mit acht Jahren angefangen, Tischtennis zu spielen und habe von Anfang an nur den Penholder-Stil gespielt.

 

In China trainieren schon Kinder sehr hart und mehrere Stunden am Tag. Wie ist die Situation in Südkorea und wie war das bei Ihnen? 

Früher, als ich jung war, wurde man als großes Talent während der Saison von der Schule freigestellt. So konnte ich mich schon in jungen Jahren voll auf Tischtennis konzentrieren. Heute ist es so, dass alle Kinder schulpflichtig sind und nur noch für wichtige Wettkämpfe freigestellt werden.

 

Welchen Stellenwert hat Tischtennis im der Rangliste der Sportarten in Südkorea, die Spiele laufen dort auch im Fernsehen? 

Einen genauen Platz in diesem Ranking zu nennen, ist schwer, aber Tischtennis rangiert sicher in den Top Ten. Unsere Spiele in der Liga werden im Fernsehen übertragen.

 

Sie stammen aus der Weltstadt Seoul. War es schwer, sich in einer Kleinstadt wie Ochsenhausen einzuleben? Wie gefällt Ihnen die Stadt und wie finden Sie Deutschland?

Seoul ist natürlich eine sehr große Stadt, Ochsenhausen hingegen eher klein. Ochsenhausen ist für mich ein toller Ort! Ich kann mich hier ganz auf Tischtennis konzentrieren, es ist sehr ruhig und beschaulich und die Luft ist einfach wunderbar – es ist eine Stadt, in der ich mich sehr wohl fühle. Ich mag Deutschland sehr, denn die Leute hier sind sehr nett, höflich und hilfsbereit. Zudem mag ich die deutsche Mentalität.

 

Wie bewerten Sie die Saison 2012/2013, in der Sie mit Ochsenhausen Deutscher VIzemeister wurden? 

Als Team haben wir eine gute Saison gespielt – in der Rückrunde waren wir ungeschlagen und sind in das TTBL-Finale eingezogen, doch haben wir das dann leider verloren. Natürlich war es eine schmerzhafte Erfahrung. Wenn man es als Team in ein Finale schafft, dann möchte man dort auch gewinnen. Das haben wir leider nicht geschafft, daher waren wir nicht zufrieden. Das TTBL-Finale ist aber nur ein Spiel, es entscheidet die Tagesform. Und an diesem Tag war Bremen einfach noch besser als wir. 

Ich persönlich habe auch eine gute Saison gespielt, doch auch ich hatte den Titel fest im Visier und kann daher mit der letzten Saison nicht völlig zufrieden sein, denn am Ende ist immer die Teamleistung ausschlaggebend – wenn man als Team seine Ziele nicht erreicht, dann kann auch kein einzelner Spieler zufrieden sein.

 

Was bedeutet es, in der aktuellen – weniger erfolgreichen – Saison das ETTU Cup-Finale erreicht zu haben? Was war der Schlüssel zum Erfolg? 

Wir freuen uns sehr, dass wir in dieser Saison nochmals ein Finale spielen dürfen. Speziell für mich ist es etwas Besonderes, da es meine letzte Saison in Ochsenhausen ist. Wir als Team möchten für den Verein, für die Stadt und für die Region diesen Titel gewinnen.

Ich denke, der Schlüssel zum Finale war, dass wir als Team, trotz all der Rückschläge und Schwierigkeiten in dieser Saison, immer zusammengehalten haben. Das hat uns stärker gemacht und nun stehen wir im Finale.
 

Wie sehen Sie die Chancen, am Ende auch den Titel zu gewinnen? 

Auf dem Papier sind wir sicher nicht der Favorit. Wir haben in der Saison zweimal gegen Saarbrücken verloren – so etwas ist immer ein bisschen im Hinterkopf. Umso wichtiger ist es, dass wir das erste Spiel zu Hause vor unseren eigenen Fans spielen können. Hier müssen wir diese negative Serie beenden und uns Selbstvertrauen für das zweite Spiel in Saarbrücken holen. Mit Hilfe unserer Fans möchten wir das Hinspiel unbedingt gewinnen.
 

Wie standen Sie zum verstorbenen Rainer Ihle?

Rainer Ihle ist der Grund, warum ich hier bin. Er lebte diesen Verein und den Sport und war bei uns Spielern immer ein respektierter Mann. Mich hat eine lange Freundschaft mit ihm verbunden, umso größer war der Schock, als er starb. Das hat mich sehr traurig gemacht, denn ich wollte ihm unbedingt noch einen Titel schenken.

 

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft? 

Für mich wird es die letzte Saison für die TTF Liebherr Ochsenhausen sein. Danach gehe ich zurück nach Südkorea und werde dort die koreanischen Spieler unterstützen.

 

Kommen wir auf Ihre Vergangenheit zu sprechen: Im Jahr 2004 konnten Sie Gold bei den Olympischen Spiele gewinnen. Wann haben Sie im Finale gegen Wang Hao realisiert, dass Sie es packen können? 

Ich hatte mich sechs Monate auf diese Olympischen Spiele vorbereitet. Davon habe ich mich 70-80 % der Zeit auf Wang Hao vorbereitet, da er einen sehr speziellen und schweren Spielstil hatte. Somit war ich im Finale sehr gut auf meinen Gegner eingestellt. Zudem hatte ich mit dem Finaleinzug schon Unglaubliches geschafft und hatte – im Gegensatz zu Wang Hao – keinen Druck. Ich habe also vom ersten Ball an meine Chance geglaubt.

 

Was denkt man während oder vor einem Ballwechsel, der einen zum Olympiasieger machen kann? 

Ich erinnere mich noch sehr genau an den letzten Ball. Es war ein Ball, wie ich ihn in den letzten Monaten während meiner Vorbereitung bestimmt 10.000 Mal gespielt hatte. Und doch war er völlig anders. Ich legte meine volle Energie, Konzentration und meinen ganzen Willen in diesen Ball und wollte mich für die harte Vorbereitung belohnen.

 

Wie war die Rückkehr nach Südkorea nach diesem Erfolg und was bedeutet Ihnen der Sieg? 

Es war natürlich sehr viel los, als ich nach Südkorea zurückkam. Dieser Sieg veränderte mein Leben. Fortan war ich ein großer Star und wurde überall erkannt. Auch Tischtennis selbst bekam in Südkorea einen anderen Stellenwert. Ein Olympiasieg ist ein Titel für die Ewigkeit und ich bin sehr stolz, diesen Titel gewonnen zu haben.

 

In diesem Jahr wurde Südkorea im Viertelfinale von Taiwan aus dem Turnier geworfen. Wie bewerten Sie die Leistung Ihrer Landsleute bei der WM. Und wie stark ist das Team im Vergleich zu früheren Tagen? 

Südkorea befindet sich im Moment in einem Generationswechsel. Die jungen Spieler haben zwar Erfahrungen auf den Turnieren der World Tour sammeln können, jedoch kamen sie noch nicht mit dem Druck klar, ihr Land bei einer Weltmeisterschaft vertreten und für ihr Team kämpfen zu dürfen. Dieser Druck ist natürlich ungleich höher als bei jedem Einzel auf der World Tour. Aber diese Erfahrungen müssen die jungen Spieler mitnehmen und lernen, mit diesem Druck klar zu kommen.

 

Gibt es momentan in Südkorea Talente, die in der Lage wären, den Chinesen in Zukunft Paroli zu bieten? 

Wir haben einige Talente, die im Moment in ihrer Entwicklung leider etwas stagnieren. Es ist schwer zu sagen, wer die Chinesen in Zukunft herausfordern kann. Doch wenn ich mir diese Weltmeisterschaft ansehe, haben nicht nur wir dieses Problem, sondern die ganze Welt. Wenn ich die Resultate der Chinese sehe, muss ich sagen, dass diese Weltmeisterschaft zu einfach für sie verlief. Dies resultiert einerseits aus ihrer unfassbaren Stärke und Professionalität, aber eben auch andererseits aus der Schwäche der anderen Nationen.

 

Auch wenn das deutsche Team im Finale gegen China verloren hat, gilt die Generation mit Boll, Ovtcharov und Co. als die goldene. Was denken Sie insbesondere über diese beiden Spieler? 

Deutschland ist sehr stark. Timo Boll und Dima Ovtcharov spielen beide in der absoluten Weltspitze und mit Steger, Baum, Franziska und Mengel haben sie weitere gute Spieler dahinter – und doch haben auch sie gegen China verloren. Sie sind nun schon sehr oft Zweite geworden, aber wenn sie mehr wollen, dann müssen sie für den Erfolg noch mehr investieren. Insgesamt müssen alle Nationen versuchen, noch mehr als die Chinesen selbst zu tun, um die Lücke zu ihnen zu schließen oder zumindest wieder zu verkleinern.

(DK)

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