Buntes

Dang Qiu: "Titelgewinn in Portugal für mich der Wahnsinn"

Am Sonntag gewann Dang Qiu sein erstes ITTF-Turnier im Einzel (©ITTF)

20.02.2020 - In drei von sechs Spielen hatte Dang Qiu bei den Portugal Open in Lissabon in der vergangenen Woche Matchbälle gegen sich – aus allen Spielen ging der 23-Jährige als Sieger hervor. Am Ende gelang ihm mit dem Finalsieg über den Ukrainer Yevhen Pryshchepa sogar der Gewinn des ersten Einzeltitels bei einem ITTF-Turnier. Im Interview spricht der Penholderspieler u. a. über diesen Triumph, seine Nervenstärke, die WM und seine langfristigen Karriereziele.

myTischtennis.de: Dang, herzlichen Glückwunsch zum Titelgewinn in Portugal! Hättest du mit diesem Triumph vor dem Turnier gerechnet? 

Dang Qiu: Mit dem Titel habe ich eher nicht gerechnet, wenn ich ehrlich bin. Natürlich fährt man zu keinem Turnier und sagt, man verliert irgendwann. Ich habe mir das Feld auch vorher angeschaut und gedacht: Wenn alles ganz perfekt läuft und ich auch in einer guten Form spiele, dann kann ich vielleicht weit kommen. Aber mit dem Titelgewinn am Ende rechnet man jetzt doch nicht wirklich. Man glaubt schon ein bisschen daran und hofft zumindest darauf. Als ich es dann geschafft habe, war ich sehr, sehr glücklich, natürlich auch überrascht, aber vor allem glücklich, dass mir das gelungen ist. 

myTischtennis.de: Mit welcher Zielsetzung warst du nach Lissabon gefahren?

Dang Qiu: Ich hatte mir nicht wirklich etwas vorgenommen. Ich habe von Runde zu Runde gedacht und geschaut, wie weit ich dann kommen kann. Je nach dem, wie gut die Form ist, kann man da schon sehr weit kommen. Deshalb habe ich mich da nicht unter Druck gesetzt. Mein Minimalziel war es natürlich, die erste Runde zu gewinnen und dann von Spiel zu Spiel zu schauen. 

myTischtennis.de: Du hast im Turnierverlauf viele enge Spiele bestritten. Im Achtel- und Halbfinale hast du jeweils 1:3-Rückstände gedreht und in Runde zwei, im Achtel- und im Halbfinale hattest du Matchbälle gegen dich. Hast du in diesen Spielen zwischendurch gedacht, dass du den Rückstand nicht mehr aufholst?

Dang Qiu: Ich habe immer versucht, noch mal zu kämpfen. Ich bin sowieso ein Kämpfer und probiere immer, noch einmal zurückzukommen. Deshalb habe ich da einfach weitergespielt. Natürlich macht man sich nicht mehr so große Hoffnungen, wenn man 1:3 hinten liegt, sondern spielt einfach erstmal und versucht, ein, zwei Sachen umzustellen, taktisch oder was auch immer, und dann weiter zu kämpfen. So war es dann auch bei den Spielen. Da habe ich mir gedacht, ich kämpfe jetzt einfach. 

myTischtennis.de: Auch im Finale ging es in den Entscheidungssatz. Was ging dir durch den Kopf, als es nach 3:1-Führung plötzlich 3:3 stand? Und wie warst du körperlich drauf? Schließlich hattest du schon einige Sieben-Satz-Spiele hinter dir...

Dang Qiu: In diesem Spiel habe ich mit 3:1 und 8:6 sowie 3:2 und 8:6 geführt, hätte da den Sack zumachen können. Körperlich war ich schon ein bisschen geschlaucht, ein bisschen müde. Aber in so einem Moment ist man voller Adrenalin, da merkt man das gar nicht so richtig. Erst am Montag habe ich gemerkt, dass ich sehr, sehr platt bin, sehr, sehr müde. Ich hatte im Finale gehofft, dass ich nicht dafür bestraft werde, dass ich mal selbst eine Führung verspiele. Ich konnte mich dann aber wieder konzentrieren auf jeden einzelnen Punkt. Deshalb hat es dann auch gut geklappt am Ende. 

myTischtennis.de: Würdest du sagen, dass dir solch knappe Situationen nicht viel ausmachen, du also insgesamt nervenstark bist? Setzt du auf die Unterstützung eines Sportpsychologen?

Dang Qiu: Wenn man die Spiele gewinnt, ist es immer einfach zu sagen, dass man nervenstark ist. Wenn man sie verliert, ist man es nicht. Ich war in einer guten Form, habe mich mental frisch gefühlt und arbeite regelmäßig mit unserem Sportpsychologen. Das hilft mir auf jeden Fall viel, da besprechen wir viele Themen, die mir während des Spiels durch den Kopf gehen. Das bringt mich definitiv weiter. Ich würde deshalb nicht sagen, dass ich mich in Entscheidungssätzen unwohl fühle. 

myTischtennis.de: Schon bei den Spanish Open 2019 im März warst du nah dran am ersten Titelgewinn auf der Tour. Nun hast du es endlich geschafft. Was bedeutet dir dieser Erfolg?

Dang Qiu: Dieser Titelgewinn ist für mich der Wahnsinn. Ich unterscheide immer noch, ob man so ein Turnier gewinnt oder 'nur' Zweiter wird. Denn Gewinnen ist noch einmal deutlich schwerer, als ins Halbfinale zu kommen oder Zweiter zu werden. Deshalb habe ich mich schon sehr gefreut, als ich es geschafft habe, weil für mich der Turniersieg dann immer noch einmal schwerer wiegt und man gezeigt hat, dass man der Beste bei dem Turnier ist. 

myTischtennis.de: Im Januar hattest du dich auch schon über einen überraschenden anderen Triumph freuen dürfen: Beim Final Four konntest du mit Grünwettersbach den Pokal gewinnen. Welche Erinnerungen hast du an diesen Tag?

Dang Qiu: Das Final Four hat mir vor allem für das Endspiel in Portugal geholfen, weil ich dieses Gefühl, dass man etwas gewinnen kann, diesen Erfolg, die Emotionen danach erst vor kurzem erlebt habe. Das war im Januar auch ein Überraschungssieg und deshalb hat er mir auf jeden Fall etwas gebracht. Er hat mir Selbstvertrauen gegeben, auch im Finale gut spielen zu können. 

myTischtennis.de: Im März nach den Qatar Open fällt die Entscheidung darüber, wer zur WM nach Busan fährt. Welche Chancen rechnest du dir aus, dabei zu sein?

Dang Qiu: Ich mache mir darüber selbst nicht so viele Gedanken. Ich versuche einfach, die kommenden Turniere wie die deutschen Meisterschaften, die Qatar Open, aber auch aktuell die Hungarian Open, so gut zu spielen, wie es geht, um mich den Trainern in guter Form zu präsentieren.

myTischtennis.de: Du bist der erste (und wahrscheinlich letzte) Penholderspieler, der deutscher Nationalspieler geworden ist. Penholderspieler gehören zu einer 'aussterbenden Spezies'. Würdest du das als Vorteil in internationalen Vergleichen sehen, weil viele es nicht mehr gewohnt sind, gegen Penholder zu spielen? 

Dang Qiu: Das ist schon ein gewisser Vorteil für mich, weil die Gegner ein bisschen weniger Erfahrung gegen diesen Spielstil haben, da es eben weniger Penholderspieler gibt und vor allem wenige gute. Ein kleiner Nachteil für mich wiederum ist, dass ich mir nicht viel von anderen abschauen kann, sondern viel selbst trainieren muss. Ich finde es trotzdem gut, dass es immer noch Leute gibt, die ein bisschen anders spielen, ein etwas exotischeres Spielsystem haben. Das ist auch interessanter für die Zuschauer. 

myTischtennis.de: Was sind deine langfristigen Karriereziele, wo soll es noch hin gehen für dich?

Dang Qiu: Ich will auf jeden Fall mal bei den Olympischen Spielen mitspielen. Das ist ein großer Traum von mir, dafür arbeite ich hart. Bei Europameisterschaften und Weltmeisterschaften möchte ich unbedingt Medaillen gewinnen. Das sind die Ziele, die ich mir in den Kopf gesetzt habe. Dafür muss ich aber natürlich noch viel trainieren. 

(DK)

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