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Jans Blog: 'Spätzünder' im dualen System machen Hoffnung

Benedikt Duda ist mittlerweile die Nummer 43 der Welt (©Flickr/ITTFWorld)

19.12.2016 - Bei der Jugend-WM in Kapstadt war Deutschland von den Medaillenrängen in den meisten Konkurrenzen weit entfernt. Einzig Tobias Hippler verpasste den Halbfinaleinzug im Jungen-Einzel und damit die Bronzemedaille nur knapp. Den Titel holte der erst 13-jährige Japaner Tomokazu Harimoto. Dass deutsche Spieler auch 'spät' noch in höhere Sphären aufsteigen können – das beste Beispiel ist Benedikt Duda –, denkt nicht nur DTTB-Sportdirektor Richard Prause, sondern auch unser Blogger Jan Lüke.

In US-amerikanischen Profiligen hat es Tradition, am Ende jeder Saison eine ganze Palette an Awards zu vergeben. Manchmal hat man gar den Eindruck, es gibt genauso viele Preise wie Aktive. Einer dieser Preise jedenfalls ist der des MIP – steht für: Most Improved Player. Er ist dem Athleten vorbehalten, der sich im Laufe einer Spielzeit am stärksten verbessert hat. Auf der Bühne des internationalen Herren-Tischtennis wäre in diesem Kalenderjahr wohl ein Deutscher der heißeste Anwärter auf diese Trophäe: Benedikt Duda vom Bundesligisten TTC Schwalbe Bergneustadt begann das Jahr auf Platz 130 der Weltrangliste, abschließen wird er es auf Platz 43. Einen größeren Satz machte keiner in diesen Regionen der Weltbestenliste – nicht einmal die ebenfalls sehr auffälligen Ochsenhausener Talente Jakub Dyjas und Hugo Calderano.

Nun ist Benedikt Duda für einen Profisportler noch nicht alt, als frische Nachwuchskraft geht der Linkshänder allerdings auch nicht mehr durch. Im nächsten April wird er 23. Das ist das Alter eines gestandenen Profisportlers. Trotzdem ist der Bergneustädter dieser Tage so etwas wie die personifizierte Hoffnung des deutschen Herren-Tischtennis. Zum einen, weil er mittlerweile zum nominell viertbesten deutschen Spieler aufgestiegen ist und in einer in die Jahre gekommenen Nationalmannschaft schon bald zu einer wichtigen Säule werden könnte. Zum anderen weil Dudas Werdegang der letzten Monate aufzeigt, auf welchem Weg der DTTB künftig seine Spieler in die Weltspitze führen könnte. Dafür nämlich taugt die bisherige Laufbahn Dudas als Blaupause.

Duda in der Jugendzeit kein europäischer Topspieler
Jüngst schaffte es Duda sogar in das Fazit zur Jugend-WM in Kapstadt von DTTB-Sportdirektor Richard Prause: Der Bergneustädter habe gezeigt, „dass man den Weg auch nach der Schulzeit noch nach oben schaffen kann“, erklärte Prause. „In der Jugend hat er nicht zu den absoluten Topspielern in Europa gehört, jetzt steht er in der Welt unter den Top 50.“ Man könnte Prauses Ausführung als eine Ausrede dafür verstehen, dass Deutschland seit Jahren vor allem der asiatischen Konkurrenz in den Jugendjahren um Längen hinterherläuft. Damit aber täte man ihm Unrecht. Prause analysiert das Problem treffend – und nicht ohne eine Lösung anzubieten.

Die asiatischen Nationen „haben Spieler am Start, die sehr, sehr früh Profis sind. Wir hingegen haben mit der dualen Karriere, bei der uns die Schule unterstützt und diese nicht vernachlässigt wird, ein anderes System.“ Das Ergebnis ist simpel wie offensichtlich: Asien dominiert Europa in der Jugend nahezu nach Belieben. Die Spielsysteme der Asiaten sind gefestigter, ihre Grundsicherheit höher, ihre Power größer. Das Doppel-Gold der Rumäninnen Adina Diaconu und Andreea Dragoman war der erste Titelgewinn für Europa seit über zehn Jahren. Zuletzt hatte sich Patrick Baum 2005 im Einzel zum U-18-Weltmeister gemacht. Man kann hier getrost von Ausnahmen sprechen. Man könnte fast sagen: Versehen.

Noch höheres Trainingspensum zur Schulzeit kaum leistbar
Das Duda-Exempel, aber etwa auch die jüngst sehr positive Entwicklung von Ricardo Walther, werden die Verantwortlichem des DTTB darin bestärken, was ihnen ohnehin schon bewusst gewesen ist: dass die Förderung von deutschen Talenten dort noch einmal neu beginnen muss, wo sie bei den Asiaten schon fast wieder endet. Mit 16, 17 oder 18 Jahren – nach dem Ende der Schulzeit. Bis dahin werden deutsche Athleten immer den Mangel ausgleichen müssen, für Spitzensportverhältnisse auf Weltklasseniveau zu geringe Umfänge trainiert zu haben. Auch wenn das Trainingspensum für viele von ihnen nebst schulischer Laufbahn schon an die Grenze dessen stößt, was überhaupt zu leisten ist. In einem Tag mit fünf, sechs oder sieben Schulstunden plus Vor- und Nachbereitung noch zwei oder gar drei Trainingseinheiten in höchster Intensität unterzubringen, ist auf Dauer utopisch. Darunter leidet entweder die Schule oder der Sport. Oder noch schlimmer: die betreffende Person.

Auch deshalb sagt Prause: „Wir versuchen, die Spieler auch dann gut zu unterstützen, wenn die Schule beendet ist.“ Deshalb hat der DTTB eine U-23-Gruppe in seinen Strukturen etabliert und ihr unter anderem mit Helmut Hampl hochqualifiziertes Personal zur Seite gestellt. Als das Projekt vor knapp zwei Jahren startete, war Duda dessen Kopf. Eher früher als später wird er sich verabschieden Richtung A-Kader – und der DTTB wird abermals Spieler in der Gruppe verbauen, die im Jugendbereich zwar gut, aber vielleicht noch nicht sehr gut waren.

Zwei, drei reine Profijahre
Auch für die Spieler schafft das durchaus einen Vorteil: Weil Tischtennis als Randsportart zwar Möglichkeiten, aber keinesfalls Sicherheiten bietet, sich als Profisportler dauerhaft wirtschaftlich gut aufzustellen, sind zwei oder drei reine Profijahre nach dem Schulabschluss zwar noch immer ein Wagnis – aber eines, das auch dann zu verschmerzen wäre, wenn es nicht belohnt würde.

Nicht zuletzt könnte sich dementsprechend die Talentsichtung des DTTB anpassen, indem sie bewusst Nachwuchstalente ausfindig macht, bei denen ein Leistungsschub auch jenseits ihres Jugendalters noch wahrscheinlich ist. Weil sie bis dahin weniger oder weniger professionell trainiert haben. Oder weil sie sich durch ihre Spielsysteme oder ihre körperlichen Voraussetzungen abheben. Mit dem trainingsfleißigen Newcomer Duda hat der DTTB schon mal einen guten Griff getan.

(Jan Lüke)

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