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Lennarts Universiade-Blog: Abschlussfeier top, Orga Flop!

Bei der Abschlussfeier wurden noch einmal wild die Trikots getauscht (©Wehking)

15.07.2019 - Am Sonntag wurde in Neapel das Ende der Universiade 2019 in einer großen Abschlussveranstaltung gefeiert. Auch das deutsche Team hatte wegen der gewonnenen Bronzemedaille Grund zur Freude, der Gesamteindruck wurde allerdings vor allem durch organisatorische Mängel und fehlende Aufmerksamkeit ein wenig getrübt, wie uns Tischtennis-Coach Lennart Wehking in seinem Blog erzählt.

Un difensore incredibile! Die Leistung von Florian Bluhm im Einzelwettbewerb der Universiade verzückte die wenigen neapolitanischen Zuschauer in der Halle Pallatrincone so eingehend, dass im Viertelfinale gegen den chinesischen Superleague-Spieler Linfeng Zhu die Sympathien klar verteilt waren. Jeder Punktgewinn des sympathischen Abwehrspielers, der auch in der kommenden Saison für Neckarsulm in der dritten Bundesliga aufschlagen wird, sorgte für einen frenetischen, deutsch-italienischen Jubel von der Tribüne. Und auch wenn in der Runde der letzten acht Spieler bei der 0:4-Niederlage keine echte Siegchance bestand, sorgte Florian für eine der Überraschungen im Herren-Hauptfeld und zeigte eindrucksvoll, dass auch ein eher klassisches Abwehrsystem eine Zukunft im Zeitalter des rotationsarmen Plastikballs haben kann. Zumindest würden das die auf internationalem Parkett deutlich häufiger agierenden Gegner des deutschen Abwehrasses auf seinem Weg ins Viertelfinale wohl durchaus bestätigen: Weder Alin Spelbus aus Rumänien noch Martin Allegro aus Belgien (beim TTC Jülich in der TTBL aktiv) oder Esteban Dorr aus Frankreich hatten dem variablen Defensivspiel wirklich etwas entgegenzusetzen. Chapeau vor dieser Leistung, das erstmalige Weltranglistenranking ist der verdiente Lohn!

Medaillenfeier nur minimal bene

Die organisatorischen Probleme zogen sich derweil leider weiterhin durch unseren Aufenthalt in der süditalienischen Metropole und machten auch vor der verdienten Medaillenfeier für mein Herrenteam keinen Halt. So wurden wir zwar freundlich zur Medaillenfeier des Allgemeinen Deutschen Hochschulsportverbands (ADH) in die internationale Zone am Hafen neben den beiden Kreuzfahrtschiffen eingeladen. Wie wir diese aus unserer 40 Kilometer entfernten Unterkunft erreichen sollten, wurde dabei jedoch nicht geklärt. So versuchte unser Disziplinchef Olli Jetter alles, uns einen Bus zu organisieren, der den gesamten „Außenseitern“ (auch das Schützenteam war mit uns in Caserta untergebracht) einen Abend in Neapel ermöglichen sollte – jedoch mangels Informationen zur Busreservierung ohne Erfolg, sodass schlussendlich nur wir fünf Herren einen Transfer in den Hafen bekamen. Eine große Enttäuschung für alle Bewohner des Tulip Resorts, denn die Unterbringung im „goldenen Käfig“ weit außerhalb der atmosphärischen Universiade-Zone in Neapel City sorgte Tag für Tag für größeren Frust unter den Aktiven, zumal sich kein Offizieller während der zwei Wochen in unserem Resort blicken ließ, um sich ein Bild von der Gegend und den mangelnden Verkehrsoptionen zu machen. Bei einer leckeren Pizza im Restaurant an der Hafenpromenade stießen wir dann dennoch auf unsere Bronzemedaille an und gönnten uns anschließend einen gemütlichen Spaziergang bis hin zu den von uns mit staunenden und auch neidischen Blicken betrachteten Kreuzfahrtschiffen und der internationalen Zone, in deren Katakomben uns dann eine recht unspektakuläre Medaillenfeier samt einiger warmer Worte der Delegationsleitung erwartete. 

Die Abschlussfeier als atmosphärisches Highlight

Auch die Abschlussfeier der 30. Universiade fand im altehrwürdigen Stadio San Paolo statt, der Spielstätte des SSC Neapels. Die entwickelte sich rasch zu einer großen Party unter den verbliebenen Athleten und hatte einen deutlich lockereren Anstrich als noch die Eröffnungsfeier. Zum Glück wurden bei dieser zumindest von einigen deutschen Athleten die in diesem Jahr sehr strikten Vorgaben der nationalen Einkleidung (jeden Tag wurde ein „shirt of the day“ über die ADH-WhatsApp-Gruppe vorgeschlagen – für mich sehr erstaunlich bei genau zwei verschiedenen offiziellen Deutschland-Shirts) über Bord geworfen und in frisch getauschten Outfits international bunt durchmischt miteinander gefeiert, bis die FISU-Flagge am Ende zeremoniell an die chinesische Delegation weitergereicht wurde, die die Universiade 2021 in Chengdu (TT-Hochburg!) ausrichten wird. Auch die zwei freien Tage zuvor nutzten wir, um Neapel kennenzulernen und dabei viel Pizza und Gelato zu verdrücken. Ich gönnte mir einen Ausflug an die Amalfi-Küste und war trotz Ankündigung einiger Italienexperten erschlagen von der Schönheit dieses Abschnitts. 

Deutschland auf Platz 24 im Medaillenspiegel – ADH trotzdem zufrieden

Aus sportlicher Sicht hatte der ADH dieses Jahr ein sehr junges Team (Durchschnittsalter bei 22,3 Jahren) nach Neapel entsendet. Das liefert sicherlich auch einen Grund für Platz 24 im Medaillenspiegel mit insgesamt 18 Medaillen (nur eine goldene), wobei insgesamt 58 Finalplatzierungen erreicht wurden (bestes Ergebnis nach 2015). Überrascht hat mich persönlich das sehr geringe mediale Interesse an den studentischen Sommerspielen in Deutschland. Ungeachtet des Sommerlochs in den deutschen Sportredaktionen wurde gefühlt in keinem größeren Sportmedium auch nur ein Wort über die Universiade oder das deutsche Abschneiden in Neapel geschrieben oder gesprochen. Ob das am Desinteresse der deutschen Medien oder an der fehlenden Kommunikationsstrategie des ADH liegt, kann ich nicht beurteilen. Es ist auf alle Fälle sehr schade, denn viele der deutschen Spitzen(nachwuchs)sportler, die versuchen, Ausbildung und Leistungssport zu verbinden, zeigten hervorragende Leistungen bei der zweitgrößten Multikomplexveranstaltung der Welt. Ich für mich kann resümieren: Die 30. Sommer-Universiade in Napoli war auch aus Trainerperspektive ein unglaublich intensives Erlebnis. Trotz der nicht zu leugnenden und zuweilen wirklich nervigen organisatorischen Probleme (wichtiger Einschub: Neapel hatte nach der Absage Brasiliens sehr wenig Zeit, dieses Megaevent zu organisieren) werden mir vor allem die unglaublich offenen und positiven Volunteers in Erinnerung bleiben, die sich jedem Problem annahmen und versuchten, die auf anderer Ebene verursachten Fehler gerade zu bügeln. Mille Grazie!

Ein paar Eindrücke finden Sie in der Bildergalerie!

Lennarts Blog zur Eröffnungsfeier
Lennarts Blog zum Bronzegewinn
Lennarts Blog zu den Bedingungen

(Lennart Wehking)

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