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Jans Blog: Uentrop hält TT-Sport Spiegel vors Gesicht

Beim Rekordspiel des TuS Uentrop sorgten gerade auch die Nicht-Tischtennisspieler für Stimmung (©Schoof)

21.01.2019 - Wer zu einem Tischtennisspiel geht, muss gewisse Regeln einhalten, um nicht negativ aufzufallen. Dazu gehört zum Beispiel, sich während der Ballwechsel nicht laut zu unterhalten oder bei Kantenbällen nicht zu klatschen. Was passiert, wenn ein fachfremdes Publikum vor Ort ist, konnte man vorige Woche beim Rekordversuch des TuS Uentrop beobachten, wo die Stimmung förmlich überkochte. Unserem Blogger Jan Lüke hat dies noch einmal gezeigt, wie unnötig und kontraproduktiv diese Konventionen sind.

Was passiert, wenn sich Fußballer, Eishockeyspieler oder Handballer ein Tischtennisspiel anschauen? Das haben der TuS Uentrop und die Leutzscher Füchse vor einer Woche erlebt. Beim Rekordspiel in der 2. Damen-Bundesliga kamen viele der 1854 Zuschauerinnen und Zuschauer aus anderen Sportarten. Nie haben mehr Menschen ein Mannschaftsspiel im deutschen Damen-Tischtennis gesehen. Uentrop hatte dafür unter dem Slogan „Wir für Hamm“ bei den anderen Vereinen der Stadt die Werbetrommel gerührt. Dem Ruf folgten dementsprechend viele, die zum ersten Mal in ihrem Leben Tischtennis live sahen. Vom Schulhof mal abgesehen. Und die Zuschauerinnen und Zuschauer zelebrierten ihren Nachmittag jenseits der gängigen Verhaltensweisen, die man sonst in den deutschen Sporthallen an den Tag legt, wenn ein Tischtennisball im Spiel ist. Fangesänge? Klatschen bei Netz- und Kantenbällen? Zwischenrufe im Ballwechsel? Auf den Tribünen der Westpress-Arena ging das alles. Das sorgte für prächtige Unterhaltung und eine der denkwürdigsten Veranstaltungen der jüngeren deutschen Tischtennisgeschichte.

Ein No-go?

War das, was die Zuschauerinnen und Zuschauer in Hamm boten ein No-go? Eine einmalige Ausnahme? Oder doch vielmehr ein Zukunftsmodell für Tischtennis-Veranstaltungen? Ich finde, dass der Tischtennissport beim Rekordspiel in Hamm den Spiegel vors Gesicht gehalten bekommen hat. Wie das Hammer Publikum benehmen sich Zuschauer, wenn sie Spaß haben wollen, ohne dass ihnen jemand sagt, was sie dabei zu beachten haben. „Es war permanent laut und natürlich auch unruhig. Aber das gehört dazu, wenn man so viele Leute in einer kompakten Arena hat“, berichtete Uentrop-Trainer Alexander Daun, der das Ereignis federführend auf die Beine gestellt hatte. Auch Daun dachte bereits an die Lehren aus dem Event: „Vielleicht braucht Tischtennis einfach mehr von dieser Fankultur, um noch besser vermarktet werden zu können.“ Er jedenfalls glaubte nach den Eindrücken des Tages, „dass das der Weg ist. Wenn man eine solche Fankultur aufbauen kann, gewinnt man die Leute.“

Zumindest verliert man die nicht, die schon mal da sind. Wer regelmäßig Nichttischtennisspieler zu Tischtennisspielen zerrt, stellt fest, dass es – egal ob in der Bundesliga-, der Oberliga- oder der Kreisliga – eine Zumutung ist, über Stunden still auf Bank oder Tribüne zu sitzen und obendrein davon eingeschüchtert zu werden, nichts falsch zu machen. Das war Netz! oder Wenn du quatschen willst, geh‘ vor die Tür – Sätze, die jeder schon in der Tischtennishalle gehört hat. Sie sind ausgemachter Schwachsinn. Niemand käme auf die Idee, sich so zu verhalten, wie es viele Tischtennisspieler erwarten. Das hat das Spiel zwischen Hamm und Leipzig einmal mehr gezeigt.

Diese Verhaltensmuster braucht keiner

Worin begründet sich dieser Verhaltenskodex? Nirgends steht geschrieben, dass man sich nicht in normaler Lautstärke unterhalten darf, wenn nebendran ein Fünf-Satz-Krimi läuft. Nirgends steht geschrieben, wer wann wo zu klatschen hat und wann nicht. Viel mehr noch: Selbst wenn sie keine Regeln sind, ergeben diese erwünschten Verhaltensweisen auch aus sich selbst heraus keinen Sinn. Der Zuschauer-Knigge für Zuschauer ist voll mit erlernten und über Jahrzehnte tradierten Verhaltensmustern, die niemand mehr braucht – oder niemals jemand gebraucht hat. Nicht einmal die Spielerinnen und Spieler selbst. Es hat nichts mit Respekt vor der Sportart und den Aktiven zu tun, wenn man die vermeintlich ungeschriebenen Gesetze der Sportart bricht.

Und da wären wir ja beim eigentlichen Punkt: Es wäre doch eine große Chance, wenn jeder Aktive bei sich selbst anfängt. Ein Tischtennisspiel ist eine Ansammlung von Zufallsschlägen, Netz- und Kantenbälle sind nur ein Bruchteil davon. Warum also aufregen, wenn der Gegner die Entschuldigung weglässt oder ein Zuschauer klatscht? Auch hat niemand je ein Spiel verloren, weil Zuschauer zu laut waren. Wohl aber, weil er nicht in der Lage war, sich unter denselben Bedingungen so gut zu konzentrieren wie sein Gegner es konnte. Warum beschäftigt man sich also nicht mehr mit sich selbst, als sich an anderen abzuarbeiten?

Jeder und jede Aktive kann Verantwortung dafür übernehmen, dass sich Zuschauer und alle anderen gerne in einer Tischtennishalle aufhalten und die Atmosphäre ungezwungener wird. Tischtennis wird dadurch nicht zum Zuschauersport. Aber das Zuschauen würde doch deutlich mehr Spaß machen.

(Jan Lüke)

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