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Tische statt Särge: Nächste Geseker Saison in Sargfabrik

Wolfgang Schmidt (l.) präsentiert stolz die neue Geseker Tischtennishalle (©Gröne)

19.12.2014 - Dracula lässt grüßen? Nein, hier geht es weder um Vampire noch um Beerdigungen, sondern schlicht um die Eigeninitiative des TV Geseke, der sein drohendes Schicksal, bald ohne Halle dazustehen, vor dreieinhalb Jahren selbst in die Hand nahm. Nach einer langen 'Betteltour' konnten die Nordrhein-Westfalen bereits 200.000 Euro Spenden sammeln, von denen sie sich nun eine ehemalige Sargfabrik als neue Halle gekauft haben.

Was war der ungewöhnlichste Ort, an dem Sie schon einmal Tischtennis gespielt haben? Eine Sargfabrik würde sich in dieser Sammlung auf jeden Fall nicht schlecht machen, oder? Für den TV Geseke ist die ehemalige Sargfabrik im städtischen Industriegebiet, in der zukünftig nicht mehr Sägen und Hämmer, sondern tickende Bälle zu hören sein werden, nicht nur ein ungewöhnlicher Ort für ein Tischtennismatch, sondern die Lösung aller Probleme. Dreieinhalb Jahre lang gingen eine Handvoll engagierter Menschen 'Klinken putzen', um das Fortbestehen des Tischtennissports in Geseke zu sichern - 200.000 Euro später ist die Ziellinie in sichtbare Nähe gerückt. 

Marode Halle dem Untergang geweiht

Und warum das Ganze? Der TV Geseke hatte mit einem Problem zu kämpfen, das viele Vereine in Deutschland plagt. Die städtischen Hallen sind überfüllt, eine vereinseigene gibt es nicht - und so kämpft man mit den anderen Vereinen um die wenigen Hallenzeiten. "Unsere alte Halle war zudem dem Untergang geweiht", erzählt Wolfgang Schmidt, Initiator der Geseker Spendenaktion. "Sie ist marode, wird nicht mehr gewartet und gepflegt, im Winter ist es eiskalt. Zudem ist absehbar, dass sie bald geschlossen wird, wenn es die zugehörige Hauptschule nicht mehr gibt. Und dann sitzen wir auf der Straße." Schmidt, der über Jahrzehnte im Vorstand des TV Geseke vertreten war und jetzt Ehrenabteilungsleiter ist, wollte dabei nicht tatenlos zusehen. 150 Tischtennisspieler - darunter 100 Jugendliche - ohne Spielstätte? Das war keine Option. Also stellte Schmidt einen Bürgerantrag für eine neue Halle, der bei der Stadt allerdings auf wenig Gegenliebe stieß. "Also mussten wir das selbst in die Hand nehmen!"

An seinem 60. Geburtstag verkündete Schmidt vor versammelter Mannschaft, dafür sorgen zu wollen, dass der TV Geseke eine eigene Halle bekäme, und gründete kurze Zeit später den Förderverein 'Senioren für Junioren'. "Und dann haben wir 3,5 Jahre lang gebettelt, also um Spenden gebeten", erinnert sich Schmidt an eine schwierige Zeit zurück, in der er von vielen Seiten für verrückt erklärt wurde. "Das war wirklich sehr schwer. Aber das wusste ich vorher. Deshalb habe ich das absichtlich an meinem 60. Geburtstag öffentlich gemacht, um mir selbst Druck zu machen. Sonst hätte ich die Flinte wahrscheinlich nach einem halben Jahr ins Korn geworfen." Doch die Ausdauer der Spendensammler zahlte sich aus. Nach zahllosen Gesprächen und 1500 verfassten Briefen, von denen 95 Prozent noch nicht einmal beantwortet wurden, bekamen die Geseker 200.000 Euro zusammen, was bereits zwei Drittel der benötigten Summe ausmacht. 

"Ich wusste: Das ist sie!"

Als dann vor eineinhalb Jahren eine Sargfabrik, die wegen der Konkurrenz aus Osteuropa schließen musste, zum Verkauf stand, schlug Schmidt zu. "Als ich das Gebäude betrat, wusste ich: Das ist sie! Es passte einfach alles", erinnert sich der 64-Jährige. "Die Halle muss jetzt noch mit Toiletten, Umkleidekabinen, Duschen und so weiter ausgestattet werden - dafür brauchen wir noch einmal 100.000 Euro, die wir hoffentlich in den nächsten Monaten sammeln können, damit wir eröffnen können, bevor uns die alte Halle unter den Händen wegstirbt." Tatsächlich hat Schmidt schon einen genauen Zeitpunkt im Auge, wann die ersten Bälle durch die Sargfabrik fliegen sollen: "Am 28. August um 20:15 Uhr. Das wäre dann genau zur Hälfte der ursprünglich anvisierten Zeit - fünf statt zehn Jahre." Auch sonst ist schon alles genau durchgeplant: Tischtennis soll täglich ab 16:30 Uhr gespielt werden, ansonsten sind auch Gymnastikgruppen und Sportarten ohne große Bälle willkommen, denn: "Wir wollen die Halle ja nicht gleich wieder kaputt machen." Auf diese Weise könnte womöglich auch ein Teil der laufenden Kosten finanziert werden. 

Eine wichtige Anschaffung konnten die Förderer derweil schon abhaken: Nach der Senioren-EM in Bremen machten Schmidt und Co. ein Schnäppchen und ergatterten den roten Gerflor-Boden, den man selten in Amateurhallen findet, für ein Viertel des normalen Preises. Eine Sargfabrik mit Profiboden, die aus eigener Initiative finanziert wurde - dass die Geseker Halle etwas Besonderes wird, steht schon jetzt fest. Das haben auch große Medienvertreter wie die 'Welt' oder 'SAT1' erkannt, die über die Aktion berichteten. Was würde Schmidt, der offensichtlich einen erfolgreichen Weg gewählt hat, sein Hallenproblem zu lösen, also anderen Vereinen raten, die sich in einer ähnlichen Situation befinden? "Die Sache selbst in die Hand zu nehmen und Mut zu haben, nicht die eingefahrenen Wege zu gehen. In jeder Stadt gibt es alte Schulen, Militäranlagen oder Fabriken, die leer stehen und die man nutzen könnte. Ergreifen Sie die Initiative! Fürs Jammern gibt es keinen Cent."

Wer den TV Geseke unterstützen möchte, findet hier weitere Infos.

(JS)

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