Trainingstipp

Tipp: Sofort da bei 0:0 – mentale Wettkampfvorbereitung

Schon beim ersten Schlag ist es möglich, mit dem Kopf voll da zu sein (©Fabig)

15.03.2016 - Sind Sie schon zu Beginn einer Partie voll auf der Höhe oder haben Sie am Anfang eher Probleme, ins Spiel zu kommen? Wenn Letzteres der Fall ist, könnte unser heutiger Trainingstipp genau das Richtige für Sie sein. Darin beschreibt der Sportpsychologe Dr. Christian Zepp, welche Möglichkeiten es gibt, sich mental optimal auf den Beginn eines Wettkampfes vorzubereiten. Alle Informationen dazu finden Sie hier!

präsentiert vom Verband Deutscher Tischtennistrainer (VDTT)

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Jeder Wettkampf ist für einen Spieler wichtig, damit er seine Entwicklung überprüfen und seine individuelle Leistungsfähigkeit bewerten kann. Beginnt ein Wettkampf, machen viele Spieler teilweise die Erfahrung, dass sie ein paar Minuten oder ein paar Punkte brauchen, bis sie komplett im Spiel „angekommen“ sind. Erst nachdem sie mental im Spiel drin sind, schaffen sie es, ihr volles Leistungspotential abzurufen und so zu spielen, wie sie es sich vorgenommen haben. In der Nachbereitung des Spiels ärgern sich diese Spieler dann über den Spielbeginn und die möglicherweise vergebenen Punkte. Eine positive Bewertung des Wettkampfs fällt damit für manche schwer. Im Rahmen dieser Nachbereitung beschäftigen sich die Spieler dann häufig mit der Frage, weshalb sie es nicht geschafft haben, sofort „da“ zu sein. Eine mögliche Antwort lautet, dass sich die Spieler nicht optimal körperlich und mental aufgewärmt haben. Eine körperliche Erwärmung ist für viele Spieler kein Problem – aber was genau ist eine mentale Erwärmung und Wettkampfvorbereitung, und wie kann diese optimalerweise aussehen?

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Was erwartet mich im Spiel, welche Stärken und Schwächen hat mein Gegner?
Eine optimale mentale Wettkampfvorbereitung besteht neben einer umfassenden Anforderungsanalyse für das kommende Spiel auch aus dem Einsatz psychoregulativer Techniken.

Im Rahmen einer Anforderungsanalyse beschäftigt sich der Spieler vor dem Spiel u.a. mit den objektiv-situativen Bedingungen, die ihn im Spiel erwarten. Konkret bedeutet dies die Auseinandersetzung mit der Halle in der gespielt wird, dem zu erwartenden Schiedsgericht, der Anzahl und der Herkunft der Zuschauer, den Licht- und Temperaturverhältnissen oder den Umkleide- und Rückzugsmöglichkeiten in der Halle. Allein diese Auseinandersetzung mit Umgebungsbedingungen führt zu einer Reduktion von Unsicherheit beim Spieler, und gibt ihm im Gegenzug ein Gefühl der Sicherheit, sobald er die Halle betritt, da er ja bereits weiß, was ihn erwartet. Es gibt weniger Spielraum für negative wie positive Überraschungen.

Eine wichtige und notwendige Analyse in der mentalen Vorbereitung auf einen Wettkampf ist die des Gegners. An dieser Stelle ist es wichtig, sich damit zu beschäftigen, welche psychischen und physischen Stärken er hat, worin er besonders gut ist, was ihm dabei hilft gut zu spielen und auf welche technischen und taktischen Elemente man besonders achten muss. Mindestens ebenso von Bedeutung ist jedoch die Auseinandersetzung mit physischen und psychischen Schwächen des Gegners. Hierzu zählt die Analyse von technischen und taktischen Defiziten, schwachen Schlägen, oder was zu seinen letzten Niederlagen geführt hat. Im Nachgang zu dieser Auseinandersetzung hat man die Möglichkeit technische und taktische Strategien zu entwickeln, wie man auf bestimmte Verhaltensweisen des Gegners reagieren wird, und welche eigenen Mittel man einsetzen wird, um den Gegner seinerseits zum Reagieren zu zwingen. „Welche Schwäche hat mein Gegner, die ich ausnutzen kann?“ – dies ist eine der wichtigen Fragen in einer mentalen Wettkampfvorbereitung.

Was ist mein realistisches Ziel?
Neben der Auseinandersetzung mit den Stärken und Schwächen des Gegners ist es für jeden Spieler aber besonders wichtig, sich mit den eigenen Stärken und einer realistischen Leistungserwartung zu beschäftigen. Hierzu gehört die Analyse der vergangenen Trainingseinheiten und Spiele, sowie der individuellen Leistungsentwicklung. Zum Aufbau von Selbstvertrauen vor dem Spiel kann eine Auflistung von verbesserten technischen und taktischen Elementen, entwickelten körperlichen und mentalen Stärken oder aktuellen individuellen Erfolgserlebnissen unterstützend wirken. Mit den Stärken und der individuellen Leistungsentwicklung einhergehend ist es besonders wichtig, sich ein realistisches Ziel für das Spiel gegen den nächsten Gegner zu setzen. Das Ziel sollte abhängig von der Stärke des Gegners als Leistungsziel definiert werden (z.B. „Gegen den nächsten Gegner lasse ich in jedem Satz maximal 6 Punkte zu.“, „Gegen den nächsten Gegner gewinne ich mindestens zwei Sätze.“).

Zusätzlich ist es häufig sinnvoll, sich auch mit der Antizipation von verschiedenen Problemsituationen, die im Lauf des Wettkampfs auftreten können, zu beschäftigen. Hierzu zählt die Antizipation von Situationen, die den Spielrhythmus stören können, Reaktionen von Gegner, Schiedsgericht oder Zuschauern, Problemen mit dem Material, Umgang mit Rückständen oder Führungen, unerwartetem gegnerischen Verhalten, Zeitverzögerungen etc. Je detaillierter sich ein Spieler auf diese Problemsituationen vorbereitet hat, desto besser wird er im Vorfeld Strategien entwickeln können, mit denen er auf diese Situationen reagieren kann. Die Ergebnisse der Anforderungsanalyse von objektiv-situativen Bedingungen des Gegners, der eigenen Stärken und Ziele sowie von Problemsituationen bildet die Basis für den Einsatz psychoregulativer Techniken und mentaler Übungsformen unmittelbar vor dem Wettkampf.

Entspannungstechniken einsetzen, sich positive Momente in Erinnerung rufen
Zur Psychoregulation und hier besonders zur Anpassung des Anspannungsniveaus hat sich in der Praxis der Einsatz von unterschiedlichen Entspannungstechniken bewährt. Zu diesen Techniken zählen unter anderem das autogene Training (AT), die progressive Muskelentspannung (PMR), Atementspannung, Elemente aus dem Yoga etc. Wichtig ist, wenn Athleten Elemente aus den verschiedenen Entspannungstechniken für sich als wirksam identifiziert haben, dass diese besonders auch unabhängig vom Wettkampf trainiert und geübt werden müssen. Nur so stellt man sicher, dass die Technik wirksam in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung eingesetzt werden kann.

Ebenfalls zur Spannungsregulation lassen sich Techniken der Selbstmotivierung und -aktivierung einsetzen. Neben dem Einsatz von individueller (und häufig immer der gleichen) Musik vor Wettkämpfen, nutzen viele Sportler individuell entwickelte und formulierte Mantras („Ich bin der Größte“, „Ich habe hart trainiert und verdiene den Erfolg“, „Ich sprenge heute meine Grenzen“ etc.). Diese Mantras wiederholen sie mental während des Aufwärmens immer wieder und motivieren sich hiermit für die auf sie zukommende Wettkampfsituation. Auch die Visualisierung des erfolgreichen Wettkampfs, des erfolgreichen Einsatzes bestimmter Techniken, der Gewinn hart umkämpfter Punkte oder früherer Erfolge gegen schwere Gegner unterstützen die Aktivierung und Motivierung der Spieler.

Sich vor dem inneren Auge den Bewegungsablauf vorstellen
Eine weitere effektive Methode zur mentalen Wettkampfvorbereitung ist der Einsatz des ideomotorischen Trainings. Bei dieser Methode stellt sich der Spieler den Bewegungsablauf im Spiel lebhaft vor seinem inneren Auge vor. Der Spieler kann sich vor dem Spiel z.B. einen Platz in der Halle suchen, von wo aus er einen guten Blick auf seinen Tisch hat, und sich vorstellen, wie er dort am Tisch steht und spielt. Im Detail hat er die Möglichkeit, vom Aufschlag an sich ganze Ballwechsel und Reaktionen auf Spielzüge seines Gegners vorzustellen und darauf zu reagieren. Auch das ideomotorische Training bestimmter Techniken, die er im Wettkampf verstärkt einsetzen möchte, kann in solchen Situationen verwendet werden. Mit Hilfe des ideomotorischen Trainings wärmt sich der Spieler ideal mental auf, und bereitet sich effektiv auf das bevorstehende Spiel vor. Besonders wirksam ist das ideomotorische Training, wenn es zeitlich und inhaltlich nahe am Wettkampf ausgeführt wird.

Damit sowohl die Anforderungsanalyse als auch die Psychoregulation zum Erfolg führt, ist es notwendig, einen möglichst detaillierten zeitlichen Ablauf der mentalen Aktivitäten in der unmittelbaren Wettkampfvorbereitung aufzustellen. In diesem Plan legt der Spieler fest, wie lange vor einem Spiel er welche Maßnahme ergreift, um sich mental auf den Wettkampf vorzubereiten. Teile der mentalen Vorbereitung können parallel zur körperlichen Erwärmung durchgeführt werden (z.B. Mantras während Aufwärmung ohne Ball). Auch die Festlegung, wann der Spieler wie mit seinem Trainer spricht oder mit Zeichen kommuniziert, hilft dem Spieler Sicherheit in seine Vorbereitung zu bekommen. Wie jedes Training, das zu einer Leistungsverbesserung führen soll, ist es notwendig, auch die mentale Wettkampfvorbereitung im (wettkampfnahen) Training zu erproben, zu üben und zu trainieren. Ohne ein zielgerichtetes und regelmäßiges Üben ist es im Wettkampf eher Zufall, falls die entwickelten Strategien und Vorgehensweisen wirken. Kein Spieler wird in ein Spiel gehen und eine unbekannte oder nicht ausreichend trainierte Angriffs- oder Abwehrtechnik einsetzen. Genau so verhält es sich eben auch mit dem Einsatz mentaler Strategien. In der Nachbereitung des Wettkampfs ist es wichtig, die Effektivität der mentalen Wettkampfvorbereitung zu bewerten. Was hat gut funktioniert und was kann verbessert werden? Welche Regulationstechnik hat besonders geholfen? Was wird beim nächsten Mal anders gemacht? Erst mit einer solchen Auseinandersetzung gelingt es, neben einer effektiven körperlichen auch eine optimale mentale Aufwärmung durchzuführen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine optimale mentale Wettkampfvorbereitung aus einer Anforderungsanalyse des bevorstehenden Spiels und dem zielgerichteten Einsatz psychoregulativer Techniken und Methoden besteht. Welche Technik und Methode für den Spieler besonders wirksam und hilfreich ist, ist jedoch individuell verschieden. Grundsätzlich gilt: Jede mentale Wettkampfvorbereitung ist besser als keine, um sofort im Wettkampf „da“ zu sein!

Quellen und Literatur zum Text können vom Autor bezogen werden.

Autor: Dr. Christian Zepp (Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln und selbstständiger Sportpsychologe)

Ihre individuelle Leistungsentwicklung können Sie natürlich auch anhand Ihrer TTR-Historie ablesen!

Die Stärken und Schwächen eines Gegner können Sie sich auch hier notieren!

Zum pdf-Download des Trainingstipps!

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