Pro vs. Contra

Pro vs. Contra: Einführung von Einheitsschlägern?

Bei der World Championship of Ping Pong spielt man mit Einheitsschläger (©Matchroom)

21.02.2017 - Zugegeben, diese Frage ist schon ziemlich theoretisch. Und bevor irgendjemand auf falsche Ideen kommt: Nein, es wird gerade nicht diskutiert, ob Einheitsschläger eingeführt werden sollten. Aber wenn man den Erfolg der World Championship of Ping Pong betrachtet, wo jeder mit dem gleichen Schläger agiert, darf einmal über die Vor- und Nachteile nachgedacht werden. Das übernehmen für uns Lennart Wehking und Jan Lüke in ihrer neuesten Pro vs. Contra-Ausgabe.

PRO

Vorab sei gesagt: Die folgenden Zeilen werden ein reines Gedankenspiel bleiben. Eine bloße Idee, eine vage Überlegung, die sich in der Praxis nie so wird finden können. Die aber deshalb trotzdem nicht sinnfrei ist, wie ich finde. Denn der grundsätzliche Gedanke könnte Tischtennis als Sportart weiterbringen. Es ist der Gedanke vom Einheitsschläger – oder besser gesagt: vom stark vereinheitlichten Material.

Dass ich darauf komme, hat verschiedene Gründe. Einer flimmerte erst gerade wieder via Sky Sports über meinen Bildschirm: die World Championship of Ping Pong (WCPP) in London. Die funktionieren nebst aufgeblähter Vermarktung aus rein sportlicher Sicht auch deshalb so gut, weil hier die Materialkomponente ausgeklammert wird. Das zumindest ist meiner Meinung nach einer der Erfolgsfaktoren. Alle kriegen den gleichen Sandpapier-Schläger in die Hand gedrückt – und alle müssen das Beste aus ihm rausholen. „All players must use the official WCPP hardbat sandpaper paddles. […] All players selected will be given an official WCPP paddle to use prior to each match to ensure competiveness”, heißt es im Regelwerk. Mehr Chancengleichheit geht nicht. Dazu kommt dementsprechend: Jeder, für den erfahrbar werden soll, welche Leistung hinter der Performance der weltbesten Clickballer steckt, dem stehen alle Möglichkeiten offen, es ihnen mit exakt demselben Material nachzutun. Das hat seinen Reiz. Das rückt die Sportart (oder vielleicht besser: das Spiel) sehr nah heran an ihre Basis. Und die wächst. Vielleicht auch deshalb, weil ihr keine hochkomplexe Materialschlacht innewohnt.

Beim großen Bruder Tischtennis ist das dieser Tage alles ein wenig anders. Um nicht zu sagen: um 180 Grad verschieden. Es gibt eine kaum zu erfassende Masse an Produkten, wie sie ein freier Markt eben ausspuckt, wenn man ihn lässt. Das ist in dem Sinne auch in Ordnung. Es gibt dadurch nur sehr wenige Aktive, die diese Produktvielfalt von Herstellern und vertreibenden Firmen auch nur zum Großteil überblicken. Wie auch?!

Wäre auch das noch zu verschmerzen, kommen wir zum nächsten Punkt: dem, was zwischen dem Kauf handelsüblicher Produkte und dem Spiel am Tisch liegt. Das, was das Regelwerk „Nachbehandeln“ nennt. Seit dem Verbot des Gebrauchs von lösungsmittelhaltigen Frischklebern sowie von zu glatten Langnoppenbelägen (2008) ist Betrug am Material (und damit natürlich auch: am Gegner) durchaus an der Tagesordnung. Das findet sich im Ligaalltag eines jeden Einzelnen. Das findet sich aber auch und vielleicht sogar erst recht im Profibereich. Nicht erst seit Branchengrößen wie Timo Boll und Jun Mizutani öffentlich gegen die Gebaren einiger Kollegen Stellung bezogen – auch das allerdings, ohne Namen zu nennen –, ist klar, was ohnehin längst kein Geheimnis mehr war: Auch unter Profis wird getrickst und getüftelt, bis die Schwarte kracht. Nicht bis an den Rand des Regelwerks – sondern bis an den Rand des Nachweisbaren. Egal ob auf Amateur- oder auf Profiebene: Irgendwann ist das nicht mehr das Problem einzelner Spieler, sondern das Problem einer ganzen Sportart, die an Glaubwürdigkeit und Transparenz einbüßt.

Die Vielfältigkeit von Spielstilen ist ein wesentliches Merkmal des Tischtennis‘ – und sollte ihm um jeden Preis erhalten bleiben. Die aber könnte man mit einer bloß eingeschränkten Auswahl an verschiedenem Material für jeden Spielertypen problemlos gewährleisten. Vielleicht eine Auswahl von wenigen verschiedenen Schlägern? Auch wenn ich um die vielen praktischen Probleme samt diverser Interessensvertreter einer solchen Idee weiß, die verhindern werden, dass es zu so einem Markteingriff jemals derart umfassend kommen wird: Ist die Vorstellung nicht trotzdem charmant? Und trägt der Vorschlag nicht Ideen in sich, die so manches Problem im Tischtennis verringern könnten?

(Jan Lüke)

CONTRA

Nein, ich bin kein Materialnerd. Niemand, der stundenlang Hölzer beschnuppert oder an Belägen rumdrückt. In Sachen Schläger würde ich mich eher als konservativ bezeichnen. Der Ansporn, auf diesem Sektor zu optimieren, verbunden mit stundenlangem Testen, kommt nie so richtig auf. Trotzdem musste ich nicht lange überlegen, als mir zum ersten Mal die Idee zur Einführung eines Einheitsschlägers zu Ohren kam: Dieser Plan ist nonsense

Um argumentativ etwas auszuholen: Am Tischtennissport wurde in den letzten Jahren extrem herumgedoktert, kaum eine Saison startete ohne teils erhebliche Änderungen im Regelwerk oder der Materialbestimmungen. Ob man das nun als sinnvoll oder sinnfrei einschätzt, spielt keine Rolle - über die Dringlichkeit oder die Folgen konnte und kann man durchaus streiten. Sich aber auch nur eine Sekunde damit zu beschäftigen, ob der Tischtennissport mehr Menschen an die Tische und vor die Bildschirme ziehen könnte, wenn alle mit dem identischen Schläger agieren würden, ist meiner Meinung nach pure Zeitverschwendung. Denn die Stärke dieser Sportart ist der Facettenreichtum. Unzählige Spielstile, Spielsysteme und immer wieder neue technische Entwicklungen machen den Sport zu dem, was er ist: koordinativ anspruchsvoll, technisch hochkomplex und doch für unterschiedlichste Leistungsniveaus attraktiv. Eine Sportart, die nicht mal so eben im Vorbeigehen zu erklären ist – oder Fernsehzuschauer rasend schnell zu Experten macht. Ein Sport, in dem die kleinsten Nuancen im Zusammentreffen von Ball und Schläger den Unterschied machen können. Dabei spielt der Materialreichtum, insbesondere in Sachen Schläger, eben eine bedeutende Rolle, wenn auch für mich nicht die entscheidende. Alle Aktiven mit dem gleichen Schläger an den Tisch zu schicken, würde die Kreativität und die Vielfalt künstlich eindämmen und all den Tüftlern und Experten, die eine ganz individuelle Art und Weise im Zusammenspiel von Zelluloid- oder Plastikkugel, ihren individuellen motorischen Fähigkeiten und ihrem Material entwickelt haben, bestrafen. 

Ein beliebtes Beispiel in der Diskussion um die rigide Eindämmung des zugegebenermaßen ausufernden Materialsektors ist die World Championship of Ping Pong. Natürlich ist diese „neue” Art des Tischtennis‘ auf den ersten Blick attraktiv. Sicherlich bleiben auch einige nicht tischtennisaffine TV-Zuschauer bei der Übertragung durch den finanzkräftigen Sportsender skysport hängen. Weil sie eher zu verstehen meinen, was am Tisch passiert. Weil das Spiel langsamer und rotationsarm ist. Weil jeder Punkt hart umkämpft wird. Weil die Ballwechsel länger sind. Vor allem aber doch, weil das Turnier überaus professionell und stark unterhaltungsorientiert medial inszeniert wird. Daraus zu schließen, dass eine Uniformierung des Materials den Tischtennissport in neue mediale Sphären katapultieren würde, ist völliger Unfug. Im Gegenteil: Einheitsschläger würden den Sport in seinen Grundfesten erschüttern, mit einem Schlag die unterschiedlichsten Spielsysteme begraben. 

Ein anderes Argument, das häufig vorgebracht wird, um die vollständige Angleichung des Materials zu fordern, kann ich hingegen besser nachvollziehen: Die wachsende Kluft zwischen den Profis und der Amateurszene in Sachen Schlägermaterial sorgt für Frust unterhalb der höchsten Ligen. Die Chance, seine sportliche Bestleistung mit genau jenem Material zu erreichen, das die Stars der Szene nutzen, sollte gegeben sein, um sich in Sachen Material nicht von der Basis zu entfernen.

Mal ganz unabhängig von meiner persönlichen Argumentation gegen die Einführung von Einheitsschlägern: Die Tischtennis-Hersteller, um die es trotz oder gerade wegen der vielen gravierenden Regel- und Materialänderungen alles andere als schlecht zu stehen scheint, würden voraussichtlich eh ein Veto einlegen, wenn anstatt des riesigen Portfolios an Belägen und Hölzern mit allen erdenklichen Eigenschaften, Dicken- und Härtegraden nur ein Mini-Sortiment angeboten werden könnte.  

Fazit: Um den Sport (medial) massenkompatibler auszurichten, ihn trendiger und wieder beliebter zu machen, war und bin ich für viele Neuerungen offen. Die Vereinheitlichung von Material gehört nicht dazu. Denn das würde die Tischtennisliebhaber an der völlig falschen Stelle einschränken. Tischtennis lebt von seiner Offenheit, seiner Kreativität und Unkalkulierbarkeit. Auch bei der Zusammensetzung des eigenen Schlägers.

(Lennart Wehking)

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