Buntes

"Fairster unter den Fairen" – Legende Schöler im Porträt

Eberhard Schöler beim Gesprächstermin im DTTZ in Düsseldorf (©Koch)

19.09.2014 - Er ist der einzige deutsche Spieler, der das Finale einer Weltmeisterschaft im Herren-Einzel erreicht hat. Von keinem Geringeren als Hans-Wilhelm Gäb wurde er als der „Fairste unter den Fairen“, der „Toleranteste unter den Toleranten“ und der „Anständigste unter den Anständigen“ geadelt: Eberhard Schöler. Mit uns sprach der 73-Jährige u.a. über die Anfänge seiner Karriere, Tischtennis zu jener Zeit und das WM-Finale 1969.


Wir schreiben den 27. April 1969. Im Finale der Tischtennis-Weltmeisterschaft in München stehen sich der 24-jährige Japaner Shigeo Ito, wenige Tage zuvor Titelgewinner mit der Mannschaft im Finale über Deutschland, und ein gewisser Eberhard Schöler aus Düsseldorf gegenüber. Der damals 28-jährige Deutsche – wegen seiner unnachahmlich konzentrierten und abgeklärten Spielweise Mr. Pokerface genannt – ist im internationalen Tischtenniszirkus längst kein Unbekannter mehr. Schon bei den Weltmeisterschaften in den Jahren 1965 und 1967 hat er sich die Bronzemedaille gesichert und ist ganz jetzt nah dran am großen Coup: Die ersten beiden Sätze gewinnt er mit 21:19 und 21:14. Dann die Wende. Ito, der sich im Mannschafts-Finale Schöler geschlagen geben musste, stellt seine Taktik um. Den Favoriten aus Deutschland wiederum verlassen allmählich die Kräfte, außerdem hat er sich im Mannschafts-WM-Finale eine Oberschenkelverletzung zugezogen. Die soll ihn schließlich gegen einen immer stärker werdenden Japaner noch den Sieg kosten (19:21, 15:21, 9:21). Aber wer ist dieser Eberhard Schöler eigentlich, der beinahe der erste und bis heute einzige Tischtennis-Einzelweltmeister geworden wäre?

Fünf DM Essensgeld bei Auswärtsspielen
Gegen Kriegsende aus Flatow in Pommern (heute Zlotow in Polen) geflüchtet, kommt die Familie Schöler bei einem Vetter in Niedersachsen unter und zieht später nach Düsseldorf. Schon damals betreiben die Eltern Tischtennis als Hobby. Auch die Söhne, darunter Eberhard, finden bald Gefallen am Sport mit dem weißen Zelluloidball. Eberhard Schöler selbst verschreibt sich anfangs aber eher dem Fußball. „Darin war ich gar nicht mal schlecht. Vor allem, weil ich so schnell war“, berichtet der 73-Jährige. „Allerdings kam ich oft mit Verletzungen nach Hause, weshalb mir mein Vater letztlich das Fußballspielen verboten hat.“ Die harte Entscheidung des Vaters sei für ihn damals nicht leicht gewesen, erinnert sich Schöler. Eine gute für den deutschen Tischtennissport war sie allemal: Zunächst schließt sich der Abwehrspieler Schwarz-Weiß Düsseldorf an, ehe es mit 17 Jahren zu TuSA Düsseldorf geht, einem der damaligen Spitzenklubs in der Oberliga.

Auf seinem Konto macht sich seine Begabung zu jener Zeit natürlich noch nicht bemerkbar: „Für eine Mahlzeit haben wir damals bei Auswärtsspielen fünf DM vom Verein bekommen und die Fahrtkosten wurden übernommen“, erklärt der Düsseldorfer, damals Student der Wirtschaftswissenschaften. Dementsprechend seien er und andere junge Spieler von den Älteren schon mal auf eine Cola oder ein Bier eingeladen worden. Der „verschworene Haufen“ bei TuSA Düsseldorf gewinnt in den 60er-Jahren insgesamt fünf Mal die deutsche Meisterschaft (zu jener Zeit noch mit Sechsermannschaften) und wird dreimal Deutscher Pokalsieger. „Unser Erfolgsrezept war damals ganz einfach, dass wir die Trainingsintensität erhöht haben. Fast jeden Abend standen wir an der Platte und haben im Gegensatz zu manch Anderem auch im Sommer trainiert.“

"Richtige Topspins kannten wir vorher gar nicht"
Auch für Schöler selbst geht es steil bergauf. 1962 wird er zum ersten Mal Deutscher Meister im Einzel und gewinnt diesen Titel bis 1969 achtmal in Folge. Erst 1970 kann er von Wilfried Lieck im Finale besiegt werden, die Revanche wiederum folgt ein Jahr später. Mit neun Titeln als Deutscher Einzelmeister ist Schöler damit zusammen mit Timo Boll und Conny Freundorfer bis heute Rekordsieger der Veranstaltung. Mit seiner aus England stammenden Frau Diane, der ‚Queen of English Table Tennis’ mit mehreren WM- und EM-Titeln, die er beim Tischtennis kennenlernt, feiert der zweifache Vater (Tochter Cindy, Sohn Christian, die beide ebenfalls Tischtennis spielen) nationale und internationale Erfolge im Mixed-Doppel. Auch mit seinem Verein PSV  Borussia Düsseldorf (heute Borussia Düsseldorf) soll Schöler noch für Furore sorgen, siebenmal den Meistertitel, sechsmal den Pokal gewinnen. Vor allem sein souveränes Abwehrspiel bereitet den Gegnern Probleme. Auf einen normalen Schaumgummi-Belag auf einer Seite (Vorhand), vergleichbar mit den heutigen, steigt der Düsseldorfer erst 1967 um – als sich das nach der Premiere bei der WM 1952 und nach der Standardisierung im Jahre 1959 auf 4 mm Maximalstärke im Laufe der 60er Jahre so langsam zum Trend entwickelt hat. Vorher ist er mit dem damals gebräuchlichen Hartgummi unterwegs.

„Richtige Topspins kannten wir vor Einführung und Verbreitung der Schaumgummi-Beläge gar nicht. Die Topspins haben wir anfangs versucht, mit ganz normalem Unterschnitt zurückzuspielen und die Bälle kamen dann natürlich unglaublich hoch“, erzählt der 73-Jährige. Er selbst sei aller Innovation zum Trotz immer bei seiner defensiven Spielweise geblieben. Auf der Rückhand sei er wesentlich stärker gewesen, das Angriffsspiel mit seiner nach eigener Aussage „komischen Vorhand“ habe er sich mit der Zeit in Grundzügen selbst beigebracht. Wie auch alles andere, denn „Trainer gab es zu der Zeit nicht wirklich. Das Balleimer-Training kam erst gegen Mitte der 60er auf“, berichtet Schöler und ergänzt: „Das Angriffsspiel war für mich nur eine Alternative. Wenn ich das Gefühl hatte, ein Spieler war mir mit seinen Angriffsbällen überlegen, habe ich aber auch schon mal selbst die Initiative ergriffen.“ So entstand der Begriff ‚Schöler-Peitsche’, der die Angriffsbälle Schölers beschreibt die „wie ein Pfeil nach unten geschlagen wurden".

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